Next Stop Nagano: Kronprinz und Wurst
■ Hoheitliche Unterstützung kann Japans Skispringer nicht vor bösen Geistern retten
Wenn die japanischen Skispringer drauf und dran sind, alle drei Medaillen zu gewinnen, darf der Kronprinz nicht fehlen. Also machte sich der Monarch gestern morgen auf nach Hakuba, wobei es natürlich nicht zu vermeiden war, umfangreiche Straßensperren zu errichten und den übrigen Verkehr vorübergehend zum Erliegen zu bringen. Die Straßen, die der Kronprinz passierte, waren trotz der frühen Stunde allenthalben gesäumt von begeisterten Untertanen, die winkten und kleine Flaggen schwenkten. Und weil der vorher so lange aufgehaltene Pressebus nun hinterherfuhr, bekamen auch die Journalisten darin noch ein bißchen Fähnchenwackeln und Jubel ab – als kaiserliche Nachhut sozusagen. Selbstverständlich hatten sich auch Unmengen von Zuschauern nach Hakuba aufgemacht, denn Skispringen ist in Japans Wintersport das, was Eiskunstlauf für die Amerikaner ist und Rodeln für die Deutschen. Zumindest, seit Eiskunstlauf etwas out ist, weil wir da immer einen übergewötzelt bekommen. Die Überfüllung sorgte dafür, daß nicht nur der Kronprinz erst zum zweiten Durchgang eintraf, sondern auch der Pressebus. Machte aber nichts, denn der war mit einem Fernseher ausgerüstet, und die nicht übermäßig weiten Sprünge von Sven Hannawald und Dieter Thoma ließen sich so viel besser begutachten als im Stadion selbst. Viel Freude hatte aber auch Ihre kaiserliche Hoheit nicht. Der Sweep fiel aus, weil erst der Finne Soininen an Vierschanzen-Funaki vorbeiflog und dann der in Führung liegende, aber für seine schwachen Nerven bekannte Masuhiko Harada den letzten Sprung so lange hinauszögerte, bis er gar nichts mehr auf die Reihe bekam und nur Fünfter wurde.
„Irgendwie tut er mir schon leid“, sagte Thoma mitfühlend, obwohl er hauptsächlich mit dem eigenen Mißgeschick befaßt war. „Irgendwas ist an dieser Schanze anders“, fragte er sich nach seinem 13. Platz, „ich weiß bloß nicht, was.“ Ganz einfach. Es sind die Kreischgesänge einheimischer Priester, wie sie auch am Ende des Springens in intensivierter Form erklangen. Die Beschwörungen sollen böse Geister bannen. Gegen Deutsche scheint es zu helfen, gegen Finnen nicht.
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„Es sind alle hier, die nicht skifahren können“, sprach Markus Wasmeier, „da hätte man auch Stefan Krauss mitnehmen können.“ So böse, wie er klingt, war der Satz aber nicht gemeint. Im Gegenteil. Eine Lanze wollte der Olympiasieger von Lillehammer für seinen Exkollegen brechen, der schnöde zu Hause gelassen wurde und nicht dabeisein kann, sollte heute morgen der Abfahrtslauf in Hakuba gestartet werden. Argentinier seien dabei und ein Ire, da wäre es doch eine Schande, daß „eine große Industrienation wie wir“ keinen am Start hat, findet Wasmeier, „und das wegen fünf Hundertstelsekunden“. Um soviel hatte Krauss die Qualifikation verpaßt. Er selbst könnte eine ernsthafte Abfahrt nicht mehr absolvieren, weil ihm die Fitneß fehle, sagte der Skirentner, aber runtergefahren sei er die umstrittenste Strecke der Olympiageschichte natürlich schon: „Ungefähr wie eine verkürzte Abfahrt in Wengen oder Gröden, wenn der Start nach unten verlegt wird.“
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Eine Weißwurst rast um die Welt. „,Speeding Sausage‘ sizzles to third victory“, überschrieb die englischsprachige japanische Zeitung Mainachi Daily News ihren Artikel zum dritten Gold von Georg Hackl. Die fehlende Spezifizierung der Wurstsorte und die Tatsache, daß man Weißwürste nicht brutzelt, können als verzeihliche Fehler betrachtet werden. Richtig hätte es natürlich heißen müssen: „Speeding white sausage zuzzles to victory.“ Matti
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