■ Neven DuMonts literarische Ergüsse zum Thema Busen: „Oh, du liebes Leintuch“!
Arbeitsteilung hat auch im ausgehenden 20. Jahrhundert durchaus noch ihre Berechtigung. Nehmen wir das Buchwesen: Einer schreibt, ein anderer verlegt, noch einer druckt, und der letzte verkauft. Wäre es andersherum, würde also der Drucker verlegen und der Verkäufer schreiben, während der Schreiber druckt, würden nur ganz vielleicht bessere Bücher entstehen. [Und bei alledem fehlt der Leser, der die ganze Arbeitsteilung durch den Kauf erst sinnvoll abschließt, d. s-in].
Daß diese These stimmt, hat jetzt erst wieder der Kölner Verleger Alfred Neven DuMont bewiesen. Der 68jährige Zeitungszampano (Kölner Stadt-Anzeiger, Kölner Rundschau, Expreß, Mitteldeutsche Zeitung) hat seinen ersten Roman veröffentlicht: „Abels Traum – Der Roman einer Jugend“.
Das Buch ist genial daneben und beweist, wie schwer es einem Verleger fällt, Schriftsteller zu sein. Nichts anderes wollte Neven DuMont durch diese Veröffentlichung offensichtlich belegen: „Ich lag auf meinem Bett ... und untersuchte vorsichtig bei heruntergezogener Hose meine männlichen Attribute. Etwas Augenscheinliches war nicht festzustellen.“ Der junge Abel, Held des Romans, kann an sich nichts entdecken, was die Damenwelt schockieren müßte. Also macht er sich ins Leben auf, immer hinter Marias Busen her, „... dem herrlich vollen Busen, der sich zwischen ihren zarten Schultern und der engen Taille auf eine wunderbare Weise präsentierte ...“
Hier zeigt uns der Autor Neven DuMont (der sich übrigens ein wenig geniert und sich deshalb hinter dem Pseudonym Franz Nedum verbirgt), wie völlig unbeholfen man als Verleger ist, will man die Liebe beschreiben. Es geht einfach nicht, es fehlen einem die Worte, die dem Schriftsteller scheinbar so leicht von der Hand gehen. In seinem Roman hat sich der Verleger (in der Branche auch als „Don Alfredo“ bekannt) darum auf einen Teilaspekt der Liebe, den weiblichen Busen, konzentriert.
Sein Held Abel hat auf 273 Seiten nur eines im Sinn: den Busen seiner Jugendfreundin Maria zu begrapschen: „Der Höhepukt war jedoch noch immer die Erscheinung von Marias Busen. Nach Jahren des Sehens und unendlich vielen Stunden glühender Phantasie wurde mir zum ersten Mal durch das Geschenk eines Traumes die höchste Beglückung zuteil: Maria öffnete ihr Hemd und zeigte mir ihre Brust, groß und formvollendet.“
Nach der nun folgenden Busenodyssee durch Europas Betten, gelangt der Romanheld zunächst in die Unterwelt („Ich wußte, daß ich hierher gekommen war, um demütig den Frauen, die alle meine Mütter in den letzten hundert Jahren gewesen waren, meine Entschuldigung anzubieten.“) und dann – endlich, endlich – küßt er Maria am Genfer See zum ersten Mal, obwohl dabei Marias großer Busen „uns irgendwie trennte“. Und nun passiert's: Im nahe liegenden Hotel entjungfert er die Zwanzigjährige, worauf Maria triumphiert: „Du hast mich zur Frau gemacht. Du hast es geschafft!“
Und welch Freude erst bei der nun folgenden Passage den Helden übermannt, kann man sich wohl vorstellen: Maria hat nämlich ihren Büstenhalter anbehalten; niemand außer Abel, alias Franz Nedum, alias Alfred Neven DuMont, durfte bis dahin ihren Busen sehen („Ich habe ihn für dich aufgehoben“). Zitat am Ende des schweißtreibenden Kapitels: „Der Ordnung halber sei hinzugefügt, daß ein großer roter Fleck sich dort breitgemacht hatte. Oh, du liebes Leintuch!“
So weit zum schriftstellerischen Versuch des Verlegers. Nun zum Verlegerischen. Wenn ein Verleger einen Verlag sucht, ist das gar nicht so leicht. Der Rowohlt-Verlag hielt das Manuskript für so schlecht, daß er es nicht drucken wollte, und so stand Neven DuMont zunächst ratlos auf der Straße. Zum Glück allerdings hat ein Verleger Freunde unter den Verlegern, und darum wurde doch noch etwas daraus. Der Mitteldeutsche Verlag Halle (Neven DuMont gehört die dortige Tageszeitung) druckte das Werk.
Schade, daß der Verleger nicht auch noch den Versuch unternahm, das Buch selbst zu verkaufen. Denn wieder einmal zeigte sich: Das Verkaufen von Büchern ist das allerschwierigste Geschäft. Er hätte dann nämlich schmerzlich bemerken müsse, daß in Kölns größter Buchhandlung Gonski neun Monate nach Erscheinen des Romans ganz acht Exemplare davon verkauft wurden. Matthias Mantzen
Franz Nedum: „Abels Traum“, Mitteldeutscher Verlag Halle 1994, 273 Seiten, 32 DM
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