Neuwahl in Nordrhein-Westfalen: Alle wollen Piratenchef sein
Die Aussicht auf den Einzug ins Düsseldorfer Parlament weckt große Begehrlichkeiten bei den Piraten. Die Bewerber für die Landesliste werden stündlich mehr.
KÖLN taz | Mit hektischer Betriebsamkeit bereitet sich die Piratenpartei auf die Landtagswahl am 13. Mai in Nordrhein-Westfalen vor. Das Gerangel um einen der vorderen Plätze auf der Landesliste, die auf einem außerordentlichen Landesparteitag nächste Woche in Münster aufgestellt werden soll, ist in vollem Gang.
Und die Aussicht auf den Einzug ins Düsseldorfer Parlament weckt große Begehrlichkeiten: Insgesamt bewarben sich bis zum Nachmittag bereits mehr als 50 KandidatInnen – ein bunter Haufen, der sich um die als aussichtsreich betrachteten ersten 20 Plätze balgt. Beinahe stündlich kommen neue hinzu.
Der Kreis reicht vom „klassischen“ Nerd über Renegaten von SPD, Grünen, FDP und Linkspartei bis hin zu evangelikalen Christen wie etwa dem 50-jährigen Diplominformatiker Rainer Klute. Ende 2010 hatte der frühere Landespressesprecher der NRW-Piraten, der die Evolutionstheorie ablehnt, bereits an Austritt gedacht, weil der Bundesparteitag die Gleichstellung der Ehe mit „irgendwelchen Lebensgemeinschaften“ beschlossen hatte. Jetzt will er seinen Hut ab Platz 2 in den Ring werfen.
Als Spitzenkandidat antreten will der Landesvorsitzende Michele Marsching, der sich derzeit in Elternzeit befindet. Auch wenn seine Aussichten nicht schlecht stehen dürften, muss sich der Softwareentwickler einiger Konkurrenz erwehren: Bis zum Nachmittag erklärten bereits acht weitere Männer ihren Anspruch auf Platz 1 der Liste.
Die Großen: Bei den in rund zwei Monaten anstehenden Wahlen in Nordrhein-Westfalen können SPD und Grüne einem ZDF-Politbarometer zufolge auf eine klare Mehrheit hoffen. Die SPD bekäme laut der am Freitag veröffentlichten Umfrage 37 Prozent, die CDU 34, die Grünen 13 Prozent.
Die Kleinen: Die FDP würde mit zwei Prozent klar den Wiedereinzug in den Landtag verpassen, auch die Linken würden mit vier Prozent an der Fünfprozenthürde scheitern. Die Piratenpartei käme dagegen auf sechs Prozent und würde erstmals in den Düsseldorfer Landtag einziehen.
Die Kandidaten: Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) würde deutlich besser als ihr CDU-Herausforderer Norbert Röttgen abschneiden: Bei der Frage, wen man lieber als MinisterpräsidentIn hätte, kommt Kraft auf 54 Prozent, für Röttgen würden nur 30 Prozent stimmen. (afp)
Zwischen „Menschenverachtung“ und „Zwangsbeglückung“
Als aussichtsreichster Herausforderer gilt der 53-jährige Pfarrer Hans Immanuel Herbers. Der passionierte Online-Rollenspieler blickt auf eine bewegte politische Vergangenheit zurück: Einst Sympathisant der KPD/AO, zählte Herbers zu den Gründern der Grünen und gehörte auch eine Zeit lang deren Landesvorstand in NRW an. 2009 trat der Ökolibertäre den Piraten bei, die ihn bei der Landtagswahl 2010 auf den Listenplatz 2 wählten. Sein Credo: „Schwarz-gelbe soziale Menschenverachtung lehne ich genauso ab wie rot-grüne Zwangsbeglückung.“
Bereits Gedanken über mögliche Koalitionsverhandlungen macht sich der freiberufliche Informatiker Jan Dörrenhaus, der sich ebenfalls um den Listenplatz 1 bemüht. „Man kann leider im politischen Geschäft nicht alles auf einmal haben“, meint der 29-jährige Dortmunder. „Um es also auf den Punkt zu bringen: Für eine gesetzliche Festlegung der Netzneutralität oder für eine grundlegende, positive Urheberrechtsreform akzeptiere ich soziale Einschnitte.“
Erst auf dem Landesparteitag wird die Bewerberliste geschlossen. „Wir lassen auch Spontankandidaturen zu“, sagt Landeschef Marsching. Vielleicht finden sich dann auch noch mehr Frauen – bisher haben sich nur sechs beworben. Die prominenteste nordrhein-westfälische Piratin ist nicht darunter: Marina Weisband will zwar kräftig im Wahlkampf mitmischen. Aber die Bundesgeschäftsführerin bleibt wohl bei ihrer Ankündigung, sich ein Jahr lang von allen Posten und Mandaten fernzuhalten, um ihr Psychologiestudium zu beenden.
Leser*innenkommentare
Ihr Name initnaf
Gast
Wo bleiben denn die anti "boy group" Kommentare, die wir seit Monaten in Sachen FDP hören. Dort ist 38 zu jung und unerfahren, hier ist Alles super und irgendwelche Erfahrung oder "Altersweisheit" überflüssig.
Dr. rer. Nat. Harald Wenk
Gast
Wie bei vielen Neugründuingen ist die Offenhiet des Diksusionsprozesses etwas "Scheinbar". Die meisten "Diskutanten" haben ein extrem dezidierte "Meinung", die oft sogar schon über professionelle "Festklopfsgartegien" als "Meinung" als "Gesamtmeinung" für die Partei.
Das ist ingewisser Weise vielfach grausam, weil viel gerade Unterstützung und zum Teil sogar Orientierung suchen, Stattdessen bekommen sie viel recht abgezockten (aufmerken!!) "Kampf", was dem Wesen der Politik entspricht. Politik ist die umkämpfte Leitung von Kooperation, also mit einem ziemlichen inneren Widerspruch belastet. Niemanden, der sich ein wenig mit Politik beschäftigen MUSSTE, ist das je entgangen. Daher ist diese Erkenntnis als solche in der Politik fast "entschärft". Der "double bind" als Grundprinzip der Politik. Da viele Verletzungen zur Politik treiben, treibt das kampfartige das Ganze immer mehr in Richtung Rache/Grausamkeit. Kakfka hat das in einer kürzsgttgeschichte. "Das Stadtwappen" verdichtet. Das Wappen ist die Faust - zum zerschlagen der heillos zerstrittenen Stadt.
RLS
Gast
Dass musste so kommen.
Bei den Schwachköpfen die wir heute in der Politik haben,
muss sich jeder berufen fühlen.
Bei den Grünen will man Quotenfrauen weil es easy ist.
Ganz klar dass jeder Politiker werden will,
den dort gilt dass Leistungsprinzip nicht.
Wie meinen einige Politiker aus der CDU,
wenn man keine Vorteile mehr hat, dann will keiner diesen Job mehr machen.
Es ist doch anscheinend so, dass sich viele sagen:
Oh Gott sind die Blöde, dass kann ich auch.
Dadurch dass sich heute so viele Leute berufen fühlen,
ist die logische Konsequenz, dass grössere Projekte durch dass Volk entschieden werden müssen !!!
Oder der Reichstag wird noch ein grösserer Affenstall.
Ähnlich Weimarer Republik.
Dann brechen nur noch Regierungen auseinander,
und man kann alle sechs Monate wählen.