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Neuwahl grüne FraktionsspitzeRealos kriegen knapp die Kurve

Altes Spitzenduo der Fraktion wehrt Kandidatur des linken Lagers ab und ist auch das neue. Ramona Pop setzt sich klar durch, Volker Ratzmann nur mit Ach und Krach

Bleiben im Amt: Ramona Pop und Volker Ratzmann Bild: dpa

Das Grinsen sagte schon alles. Oder besser: dass es nun fehlte. Mit nüchternem Gesichtsausdruck kam Dirk Behrendt, führender Kopf des linken Parteiflügels, aus Raum 113 des Abgeordnetenhauses, wo die Grünen-Fraktion am Dienstag ihren neuen Vorstand wählte. Knapp hatte er gerade gegen den alten und neuen Vorsitzenden Volker Ratzmann verloren. Eine halbe Stunde zuvor war Behrendt noch mit breitestmöglichem Grinsen aus dem Raum gekommen und berichtete von einem Patt nach dem ersten Durchgang. Ratzmanns knappem Erfolg ging ein klarer Wahlsieg seiner bisherigen und künftigen Co-Chefin Ramona Pop gegen die linke Abgeordnete Canan Bayram voran.

Für Pop stimmten bereits im ersten Wahlgang 17 von 29 Abgeordneten. Bayram erhielt 11 Stimmen, ein Fraktionsmitglied stimmte mit Nein. Ratzmann setzte sich mit 15 zu 13 Stimmen bei einer Neinstimme gegen Behrendt durch. Er erklärte sein knappes Ergebnis auch mit seiner Art, Politik zu machen. "Ich habe meinen Kopf weit zum Fenster rausgehalten und weiß, dass sich einige an mir reiben", sagte er nach der Entscheidung.

Bayram hatte ihre Kandidatur gegen Pop vor einer Woche angekündigt. Gegenüber der taz äußerte sie damals die Kritik, dass der bisherige Vorstand nicht die ganze Fraktion und auch nicht die Partei spiegele. Die neue Legislaturperiode biete die Chance, auch in der Fraktion einen neuen Anfang zu machen. Behrendt wollte für den Fall antreten, dass Bayram gegen Pop verliere und nicht ein zweites Mal für den zweiten Platz in der Doppelspitze antrete.

Ratzmanns knappem Erfolg waren dramatische Minuten vorangegangen. 14 zu 14 stand es nach dem ersten Durchgang. Ratzmann beantragte daraufhin eine Auszeit. Das linke Lager - gut ein Dutzend Abgeordnete - verließ daraufhin mit hoffnungsvollen Gesichtern den Raum. Zurück blieben die, unter denen Ratzmann die ein bis zwei Stimmen für Behrendt vermuten musste, die nicht dem linken Lager zuzurechnen waren.

Später sagte der alte und neue Fraktionschef, er habe sich in dieser Zeit überlegt, ob er erneut antreten sollte. Abgeordnetenkollegen hätten ihm dazu geraten. Es war nicht das erste Mal, dass der heute 50-Jährige sich in einer solchen Situation befand. 2004 reichte es für ihn erst im dritten Wahlgang zur nötigen Mehrheit, obwohl es gar keine Gegenkandidatur gab.

Nach Behrendts Niederlage war nicht klar, ob es Bewerber des linken Parteiflügels für die vier weiteren Posten im sechsköpfigen Fraktionsvorstand geben würde. Einzelne linke Abgeordnete machten keinen Hehl aus der Enttäuschung über die Niederlage ihres Lagers, von "Spaltung" war zu hören. Offenbar um die Situation zu entschärfen, wurden die Wahlen für die Stellvertreterposten vertagt. "Ich glaube nicht, dass schon alle Messen gesungen sind", sagte Pop.

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9 Kommentare

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  • P
    Piet

    Wie die zwei arrivierten Ökospießer auf dem Foto

    mich angrinsen - boah!

     

    Phänotypisch CDU - gruselig!

  • M
    max

    ratzmann und pop ... warum die grünen sich auch unbedingt die unangenehmsten gestalten an die spitze wählen müssen, kann wohl auch keiner erklären ... oder ich will die erklärung nicht hören.

  • AT
    Antonius Theiler. geb.1941

    Demokratur ist, wenn 51% A sagen, 49% B sagen, dann haben alle Posten einer Partei die A sagen und die B schauen zu. Wird praktiziert bei allen Stöpselclubs Deutschlands.

    Eine Lösung: Demokratie ist,

    jeder hat 100% Stimme und kann sie z.B. verteilen auf Posten 1 = 60% auf Posten 2 = 30% und auf Posten X = 10%. Dann hat ein Mitglied seine Stimmen verschossen. Und alle Gruppen sind in der Partei dabei. Oder die 49% B wechseln den Verein. Dann sind die A 100% und auch glücklich.

  • LH
    Leo Hölscher

    Ab in die Mitte!

    Schon seid Jahren entfernen sich die Grünen von ihren ehemals linksalternativen und sozialpolitischen Positionen, nicht einmal der in der ganzen Republik angesehene Christian Ströbele hat es mehrmals nicht geschafft, von den Berliner Grünen auf der Liste zur Bundestagswahl aufgestellt zu werden.

    Wenn ca. 40% der grünen Fraktion im Abgeordnetenhaus mehr auf der linken Seite stehen, ist es nur gerechtfertigt, dass dieser Umstand sich auch im Fraktionsvorstand widerspiegelt.

    Welcher Flügel der Grünen hier seine Positionen, seine Gier nach Macht durchsetzt, ist wohl klar : der Realo-Flügel, nicht der Linke.

    Was haben – auch die Berliner – ehemals antiautoritären Grünen nicht alles mitgetragen: Kriegseinsätze, Hartz IV, Schröder und Fischer. Und soll in Zukunft noch alles er- oder mitgetragen werden.

    Eine Partei, die ihre Ziele an den zu erringenden Prozentpunkten orientiert und nicht mehr an den Inhalten, unterscheidet sich nicht mehr von CDU-SPD-FDP.

    Schade drum!

  • N
    Neues

    Hmmm, sehr aktuell ist die Spitzengrüne in Berlin wohl nicht. Die Webseite von Frau Pop sagt alles.

    http://www.ramona-pop.de/

    Hmmmm.Grübel.

  • RB
    Rapo Baybehr

    Welch Glück für die Grünen, dass die machtgeilen Fraktionäre Bayram und Behrendt nicht gewählt wurden! Bayram lechzt so richtig nach einem Posten (weil sie es nicht erträgt, dass Bilkay Öney jetzt Integrationsministerin ist!) und Behrendt wil nur eines: seine Macht beweisen und die Grünen von ultralinken Menschen leiten lassen. Sind wir hier bei den Linken oder was?

  • HS
    Hans Schwarz

    Da fordert ein Herrn Ströbele (und 79 weitere, überwiegend Kreuzberger Grüne) frei gewählte Abgeordneten auf, sie mögen nicht nach bestem Wissen und Gewissen urteilen bzw. nicht nach Qualifikation, Eignung oder Leistung wählen, sondern lediglich Flügelwünsche beachten und Personen an die Fraktionsspitze wählen, die bisher nicht gerade als gute oder fleißige Fachpolitiker oder konstruktive Weggefährten aufgefallen sind. Wie bitte? Was ist das für Demokratieverständnis?! Herr Ströbele Sie sind ein Opportunist, schämen Sie sich! Jetzt verstehe ich, warum Wowereit mit dieser opportunistischen Truppe aus Kreuzberg regieren wollte.

  • HL
    Hauke Laging

    Er fühlt sich also nicht vertreten, nicht angemessen repräsentiert. Er hat es schon schwer, unser linker Flügel. Erst setzt er kurz vor der Wahl – mit bekannten Folgen – die radikale A100-Position durch, dann holt Frieke gut 12% der Zweitstimmen, hat aber mehr als das Doppelte als Anteil in der Fraktion.

     

    Gestern noch wird getrommelt: Da ist von Anerkennung und Respekt die Rede, von zu vermeidender Spaltung, von einem konstruktiven Verhältnis der Flügel und von Geschlossenheit. Es ist insbesondere vom Fraktionsvorstand die Rede, nicht vom Fraktionsvorsitz. Damit werden erfolgreich Unterstützer geködert. Offenbar bewusst getäuscht. Der überrepräsentierten Minderheit wird die Hälfte der Plätze im Fraktionsvorstand angeboten. Auch den Posten der Vizepräsidentin bekommt sie.

     

    Was ist die Folge? Sie starten einen beispiellosen Affront. Wieder einmal kommt der Mut nach der Wahl.

  • B
    Bayram

    Frau Abg. Bayram soll bitteschön erst ihre Zuverlässigkeit als Abg. nicht im Namen des Geldes und der von ihr gegenüber mir gezeigten Interessenlosigkeit an einem Behinderthema beweisen, dann kann sie gern noch einmal für den Vorstand kandidieren. Vorher NICHT.

    Die Frage ist überhaupt, ob die Grünen noch ans Fußvolk denken oder nur an sich selber.