Neustrukturierung der Entwicklungspolitik: Radikale Einschnitte
FDP-Entwicklungsminister Dirk Niebel scheint bereit, die Macht der Organisation GTZ einzuschränken und neue Gesellschaft zu schaffen. Möglicher Name: "Deutsche Entwicklungs-Kooperation".
Es hätte eine so schöne Reise werden können für Dirk Niebel. Zum Abschluss seines Südostasienbesuchs steht am Freitag ein Abstecher zur historischen Grabstätte Angkor-Wat, Kambodscha, auf dem Programm, für viele TouristInnen ein echter Höhepunkt in der Region.
Doch für den FDP-Entwicklungsminister, der mit einer Delegation aus dem Ministerium, FachpolitikerInnen und VertreterInnen der Vorfeldorganisationen unterwegs ist, hat sich die Reise zu einem Arbeitsaufenthalt der besonderen Art gewandelt. Niebel will die Neustrukturierung der Entwicklungspolitik voranbringen - und plant dabei zum Teil radikale Einschnitte.
Dabei nimmt nun Formen an, was Niebel vorhat: Er will offenbar die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) beim geplanten Zusammenschluss mit dem Deutschen Entwicklungsdienst (DED) und der Weiterbildungsagentur Inwent zumindest zum Teil unter seine Kontrolle bringen.
Zwar ist nichts endgültig entschieden: Die Tendenz geht aber dahin, den geplanten Zusammenschluss der Organisationen unter neuem Dach umzusetzen und mit einem neuen Namen zu unterstreichen. Als möglicher Name wird "Deutsche Entwicklungs-Kooperation" gehandelt.
Zudem wird wahrscheinlicher, dass die GTZ Teile ihres Hauptsitzes von Eschborn bei Frankfurt nach Bonn verlegen muss - oder zumindest eine neue gemeinsame Geschäftsführung dort ihren Sitz erhalten würde. "Eschborn kann grundsätzlich Standort bleiben", hieß es aus Koalitionskreisen gegenüber der taz, "aber das Zentrum der Deutschen Entwicklungszusammenarbeit ist Bonn."
Selbst über Kompensationsgeschäfte wird bereits nachgedacht. So könnte der Raum Frankfurt durch ein Regionalbüro der Weltbank entschädigt werden. Niebel selbst gibt sich unwissend: "Es gibt überhaupt keine Standortdiskussion", teilte er auf seiner Reise mit.
Als ausgemacht gilt, dass Niebel Stellen aus Durchführungsorganisationen ins Ministerium überführen möchte, um damit die politische Steuerungsfähigkeit zu erhöhen. "Das BMZ muss die politische Linie führen", fordert auch die Entwicklungsexpertin der Grünen, Ute Koczy.
Für die GTZ wäre eine Umsetzung dieser Pläne eine herbe Niederlage. Die Organisation gilt als politisch sehr gut vernetzt und in Fragen der Umstrukturierung als wenig kompromissbereit. "Wenn es nach der GTZ geht, müssen sich alle verändern, nur sie selbst nicht", hieß es aus Delegationskreisen.
In einem internen Brief an das Ministerium hatten die Eschborner vor kurzem gefordert, die Neuordnung der Organisationen "unter dem rechtlichen Mantel der GTZ" stattfinden zu lassen. "Auch die GTZ muss sich verändern und reformieren", fordert der SPD-Sprecher für Entwicklungspolitik im Bundestag, Sascha Raabe.
Am 24. März will Niebel das Kabinett über die Reform informieren, vor der Sommerpause soll eine Entscheidung über das Verfahren getroffen werden. Nicht mit eingeschlossen ist ein Zusammenschluss der technischen und der finanziellen Zusammenarbeit - das Projekt, an dem Niebels Vorgängerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) scheiterte. Für viele ein Schwachpunkt der Initiative: "Ohne die Entwicklungsbanken ist die Reform Murks", sagt SPD-Mann Raabe.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alles zur Bundestagswahl
FDP sackt immer tiefer, BSW weiter an der Kante
Sauerland als Wahlwerbung
Seine Heimat
Pragmatismus in der Krise
Fatalismus ist keine Option
Erstwähler:innen und Klimakrise
Worauf es für die Jugend bei der Bundestagswahl ankommt
Russlands Angriffskrieg in der Ukraine
„Wir sind nur kleine Leute“
Totalausfall von Friedrich Merz
Scharfe Kritik an „Judenfahne“-Äußerungen