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Neustart in Hamburgs Frauenfußball"Der Anfang sah düster aus"

Der Hamburger SV hat seine Bundesliga-Teams im Frauenfußball aus finanziellen Gründen abgemeldet und spielt nun im Frauenbereich nur noch in der Regionalliga. Ein Trainingsbesuch nach dem großen Kahlschlag.

Training der HSV-Frauen: Gemault wird trotz der widrigen Umstände nicht. Bild: Ulrike Schmidt

HAMBURG taz | Wir fragen einen Langen, der am Wegrand steht und klönt, wo die Frauen trainieren. Wir haben Glück: Er ist ihr Trainer. Er hat einen Sack mit Bällen auf dem Rücken, es sind 21, und gelbe Stangen in der Hand. Holger Prischmann ist 52, die Knochen tun ihm weh, vor allem wenn es kalt ist, wie heute. Vor allem die Knie.

Er kann auf der Paul-Hauenschild-Anlage in Norderstedt rumstehen und mit Leuten schnacken, weil „die Mädels im Stau stecken“ und er nicht anfangen kann. Sind eh so wenig. Die „Mädels“ kriegen kein Geld, nur das Trikot mit der Raute, da machen Fahrgemeinschaften Sinn. Also kann Prischmann mal schön alles vorbereiten: Hütchen, Stangen, Bälle. Der zweite Trainer ist Frank „Fäustel“ Rost, 39, der Ex-Torwart der Profis. Wir sind in der Regionalliga-Nord, tief im Amateur-Fußball, wo Trainer nichts verdienen.

Das Flutlicht ist an, drüben sitzen ein paar Jungs auf dem Rasen, die längst Schluss haben, und hören ihrem Trainer zu, der was erklärt. Mit Fußball, das wissen wir, kann man schwer aufhören. Auf dem anderen Nebenplatz kicken die B-Mädchen des HSV. Paar Eltern drum herum. Dicke Daunenjacken, manche in den Vereinsfarben.

Wer geglaubt hat, dass beim Hamburger Sportverein nach der Abmeldung der Erst und Zweitliga-Frauenmannschaften das Ende des Mädchen und Frauenfußballs kommen würde, der irrt. Die Frauen sind zäh, die wird der HSV so schnell nicht los.

Neben dem Tor steht Karsten Schulz, 43. Er ist für die Öffentlichkeitsarbeit des Frauen und Mädchenfußballs zuständig. Wir puzzeln die Mannschaft, die noch nicht da ist, zusammen. Von der Bundesligamannschaft ist übrig geblieben: Saskia Schippmann, 19, Torfrau. Frank Rost ist ihr „Pate“ und hilft mit Ausrüstung, die müsste Schippmann sonst selbst zahlen.

Die anderen Spielerinnen kommen aus der Regionalliga-Mannschaft der vergangenen Saison und aus der Verbandsliga. Das Durchschnittsalter ist „so um die 19 Jahre“, schätzt Schulz. In der Regionalliga spielen zwölf Mannschaften, der HSV hat drei Spiele gewonnen, zuletzt am vergangenen Sonntag auswärts beim SF Wüsting-Altmoorhausen mit 6:1. Den drei Siegen stehen drei Niederlagen und zwei Unentschieden gegenüber: sechster Platz in der Tabelle.

Da kommen die Mädchen, bringen noch mehr Stangen, Hütchen und die Getränkebox, maulen nicht über Stau, Kälte, schütteln die Bälle aus den Netzen und machen sich mit einem Spielchen Sieben gegen Drei warm. „Auf dem Papier“, sagt Schulz, „sind 19 Spielerinnen im Kader.“ Zehn sind heute im Training.

Hier kicken Lehrerinnen, Studentinnen, Schülerinnen, Azubis, eine Spielerin macht ein freiwilliges soziales Jahr bei Sterni-Park. „Die spielen hier“, sagt Schulz, „nicht wegen des Geldes, sondern weil sie Bock haben.“ Das Ziel sei, so die 26-jährige Mannschaftskapitänin Cathérine Knobloch: „diese Saison nicht absteigen, und mittelfristig Bundesliga“. So weit ist die Bundes von der Regionalliga nicht weg. „Einmal hoch und wir sind in der Zweiten“, sagt Knobloch.

Der Anfang war „oah“, sagt Prischmann, der vor zehn Jahren schon mal Trainer der zweiten Frauenmannschaft des HSV war, „da sah das richtig düster aus“. Die Spielerin Songül Aydin rief ihn an und fragte: „Kannste uns nicht trainieren?“ Prischmann, der in Wilhelmsburg wohnt, überlegte – 76 Kilometer hin und zurück, drei Mal in der Woche. Dann kam noch ein Anruf: „Mach das doch mal!“ Dann machte er das eben mal.

Am Anfang war Prischmann, der sich als „Übergangslösung“ sieht, nicht sicher, „ob das noch was bringt“. Knobloch, die nebenher die Mädchen der ersten C-Jugend des HSV trainiert, nickt: „In der ersten Trainingswoche hab’ ich gedacht: Das wird nie was. Wir waren nur eine Handvoll, sah nicht so aus, als würden wir eine Mannschaft für die Regionalliga zusammen bekommen. Kein Torwart, nichts.“ Dann wurde es „von Woche zu Woche besser“. Im Sturm, findet Prischmann, „ist es immer noch dünn“. Schulz arbeitet dran, dass der Kader größer wird. Heute ist eine Neue da. Blond, sehr leise, sehr jung, sehr schüchtern.

Schulz und alle anderen, etwa die Abteilungsleiterin Manuela Saladin, suchen nicht nur neue Spielerinnen, sondern auch Sponsoren. Mit Marcell Jansen – Spieler der HSV-Profis, der sich angeboten hatte, finanziell zu helfen, um die Abmeldung der Frauen-Bundesligamannschaft zu verhindern, wenn die anderen Profis auch was machen – sind Saladin und Schulz im Gespräch. Mit den Zuschauereinnahmen ist nichts anzufangen: Beim 1:2 gegen den TSV Eintracht Immenbeck waren es 68, beim 1:0 gegen den TV Jahn Delmenhorst „weniger“, sagt Schulz.

Sportlich, finanziell und organisatorisch war der Neuanfang schwierig: Die Abteilung, die aus dem Amateurbereich ausgegliedert worden war, „wurde nach der Abmeldung der Bundesliga-Mannschaft aufgelöst“, sagt Schulz. Nun mussten die Mädchen den B und C-Jugend „wieder in den Amateurbereich eingegliedert werden“.

Die meisten B-Mädchen sind in andere Vereine gewechselt, „zwei sind hier geblieben“, sagt Schulz. Insgesamt hat der HSV zwei komplette Mannschaften verloren. Es hat Eltern gegeben, deren Kleine in der E-Jugend spielte, also zwischen acht und zehn Jahre alt war, die haben ihr Kind abmeldet, „weil sie keine Perspektive für die Bundesliga sahen“, sagt Schulz und räuspert sich. Das Räuspern heißt: Vielleicht ein wenig zu ambitioniert, solche Eltern.

Die Frage, ob ein Verein wie der HSV, der seine beste Frauenmannschaft so abgewickelt hat, so viel Engagement verdient, haben sich Schulz, Prischmann und Knobloch nicht gestellt. „Ich hab’ Spaß, wenn die Mädchen Spaß am Fußball haben“, sagt Schulz. Der HSV hat immer noch eine zweistellige Zahl von Mädchen und Frauen-Teams und etwa 200 Fußballerinnen. „Das kann man nicht alles hinschmeißen“, findet Schulz, „wir wollten auch ein Zeichen setzen: Uns gibt’s noch.“ Und nun? „Zielstrebig nach oben mit Geduld“, sagt Schulz.

Knobloch kickt seit elf Jahren beim HSV, sie war Spielerin des vor der Spielzeit 2011/12 abgemeldeten Zweitligateams. Danach hat sie in der Regionalliga weiter gemacht. Es gab Gespräche mit Spielerinnen der Ersten, ob sie nicht in der Regionalliga spielen wollen. Es gibt auch jetzt Gespräche. Vielleicht kommt die eine oder andere zurück.

Um 20.30 Uhr, nach 90 Minuten, ist das Training zu Ende. 20 Bälle sind da, wo ist der 21.? Vielleicht in dem blöden Gebüsch. Genau. Dann ist ja alles gut.

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