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Neururer findet neue Freunde

„Müßig, immer dieselbe Frage zu beantworten“: Ein 1:3 gegen Bayern wächst sich zum Nachmittag der Solidarität beim 1. FC Köln aus  ■ Aus Köln Katrin Weber-Klüver

Als der Kampf auf dem Platz vorbei und verloren war, stand Toni Polster in eine schwarze Wolldecke gehüllt am Spielfeldrand und kommentierte das 1:3 gegen Bayern München. Er hatte keinen Sinn für Späße, selbst für das kleinste Wiener Schmankerl nicht, war einfach müde und traurig und ein bißchen ratlos auch. Und teilte tonlos mit, man könne sich wohl vorstellen, „was für einen Druck wir nun haben“. Der sieht in Zahlen so aus: Sieben Spiele gespielt, sieben Punkte gesammelt, 17 Tore kassiert, 17. Tabellenplatz für den 1. FC Köln.

Vielleicht hätte sich der frierende Torjärger in kauzigen Galgenhumor geflüchtet, wenn der Münchner Sieg in Müngersdorf nicht so unverdient und glanzlos ausgefallen wäre. Das Schlimme war aber für Polster die Erkenntnis, daß seine Mannschaft „gut gespielt“ und „die Niederlage unnötig“ kassiert hatte.

Andererseits war diese Kombination wahrschienlich das Beste, was passieren konnte, um zu stärken, was dem Verein am meisten abgeht. Man könnte es corporate identity nennen. Oder einfach Zusammenhalt. Sich nach einem Sieg um den Hals zu fallen und öffentlich gegenseitiger Achtung zu versichern, wäre leicht gewesen. Und geglaubt hätte solche Demonstration der Einricht im Zweifelsfall keiner. Nicht in Köln.

Nun sieht das etwas anders aus. Als Peter Neururer nach dem Spiel, seinem 50. als FC-Trainer, ohne Unterlaß mit der Frage traktiert wurde, ob er jetzt endgültig vor der Entlassung stehe, hatte Präsident Klaus Hartmann die Faxen dicke. Mit der Gelassenheit des Mannes, der in wenigen Wochen freiwillig sein freudloses Amt räumen wird, griff er sich das Mikrophon. „Es ist müßig, in jedem Interview dieselbe Frage zu beantworten.“ Und tat es dann natürlich doch: „In der nächsten Woche ist der Trainer Herr Neururer.“

Der FC hat eine Menge Sorgen, weil er keinen erstklassigen Kader hat, sondern einen, in dem etliche Spieler zu langsam sind, andere gerade verletzt und wieder andere hoffnungslos überfordert. Aber das größte Problem ist, was Sportdirektor Carl-Heinz Rühl „die veröffentlichte Meinung“ nennt. Damit meint er die lokalen Zeitungen, deren Lieblingsbeschäftigung seit einem halben Jahr es ist, die Demission Neururers zu fordern. „Das nervt“ nicht nur Rühl, sondern alle im Verein. Derart offenbar, daß sie nun schon aus reinem Trotz zusammenstehen.

Wie lange auch immer. Denn ein Nachmittag der Solidarität ist ein dünnes Fundament für die Zukunft. Seit aber Hartmann seinen Abtritt angekündigt hat, ist in Köln lediglich klar, daß völlig unklar ist, wer ihn mit welcher Marschroute beerben könnte. Nur, daß der neue Vereinschef den dreifachen Meister wieder an die Spitze bringen muß, darüber besteht absolute Einigkeit. Wahlweise handelt es sich bei dieser Spitze um die nationale, wenn man beispielsweise den Sportdirektor fragt, oder gleich um die europäische, wenn es nach dem Strategiepapier der Oppositionsgruppierung „Freunde des 1. FC Köln von 1996“ geht.

1990 wurde der FC noch Vizemeister, seitdem pendelt er sich zuverlässig um Rang zehn herum ein. In rheinischer Verzweiflung über die sich manifestierende Mittelmäßigkeit sind alle Jahre wieder Trainer und Manager ausgewechselt worden. Spieler wurden vorschnell verkauft, ambitionierte Neuerwerbungen platzten.

Am Sonntag abend erzielte Carsten Jancker sehr ansehnlich das 1:0 für Bayern. Vor zwei Jahren war der Rostocker am Rhein als bundesligauntauglich aussortiert worden. Später erhöhte Christian Nerlinger auf 2:0. Vor dieser Saison hatte er dankend abgewunken, als der FC ihn kaufen wollte. Es war Nerlingers Gegenspieler René Tretschok, eine der geglückten Verstärkungen des Sommers, der den Anschlußtreffer schaffte. Immerhin. Den Punktgewinn verhinderten Nerven, Latte und Oliver Kahn.

Trotzdem: Wenn es nach Peter Neururer ginge, würden die Kölner die restlichen 27 Spieltage nur noch zu Hause und nur noch gegen Bayern spielen. Denn: „Das stimuliert.“ Die beiden nächsten Spiele aber finden auswärts statt, die Gegner sind Hansa Rostock und Hertha BSC.

FC Bayern München: Kahn – Matthäus (32. Babbel) – Kuffour, Helmer – Zickler (89. Lizarazu), Fink, Strunz, Nerlinger, Tarnat – Elber (74. Scholl), Jancker

Zuschauer: 48.000 (ausverkauft)

Tore: 0:1 Jancker (11.), 0:2 Nerlinger (21.), 1:2 Tretschok (32.), 1:3 Scholl (90.)

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