Neuregelung von Hartz IV: Arbeitsagentur warnt vor Überlastung
Durch das Bildungspaket würden die Jobcenter an ihre Grenzen stoßen, warnt die Bundesagentur für Arbeit. Arbeitsministern Ursula von der Leyen (CDU) kündigt Korrekturen an.
BERLIN taz | Mit dem geplanten Bildungspaket für Kinder aus Hartz-IV-Familien droht nach Einschätzung der Bundesagentur für Arbeit (BA) eine Überlastung der Jobcenter. "Vor allem die in der Übergangsphase geplanten personalisierten Gutscheine stellen für die Jobcenter einen großen bürokratischen Aufwand dar", sagte eine Sprecherin am Mittwoch in Nürnberg: "Etwa bei der Unterstützung für Nachhilfe, Mittagessen oder eintägigen Klassenfahrten müssten wir mit Eltern und Lehrern sprechen. Dazu braucht es zusätzliche Ressourcen."
In einer Stellungnahme an das Bundesarbeitsministerium (BMAS) habe sich die Agentur deshalb unter anderem dafür ausgesprochen, statt der Jobcenter die Jugendämter mit der Umsetzung des Bildungspakets zu beauftragen. Diese könnten die Dienstleistung effizienter und kostengünstiger erbringen, schreibt die BA in ihrer Stellungnahme. "Die Jugendämter haben die Schnittstellen zu den Eltern, Jugendlichen und Kindern. Die müssten die Jobcenter komplett neu aufbauen", führte die BA-Sprecherin aus. Sie bestätigte damit einen entsprechenden Artikel in der Süddeutschen Zeitung.
Diese hatte am Mittwoch berichtet, die BA warne das Arbeitsministerium vor "erheblichen Mehraufwänden" in den Jobcentern und vor der "faktischen Verschlechterung der Betreuung" von Langzeitarbeitslosen.
Die BA hat dem Ministerium unter anderem den Vorschlag unterbreitet, die Leistungen im Rahmen des Bildungspakets nicht an die einzelnen Schüler oder Eltern, sondern direkt an die Schulen und andere Bildungseinrichtungen auszuzahlen und dabei auch mit Pauschalen zu arbeiten, um die Abrechnung zu vereinfachen.
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) reagierte am Mittwoch ungehalten auf die Bedenken. Die BA fühle sich an manchen Orten "überfordert", sagte die Ministerin. Gleichwohl kündigte sie Korrekturen beim Bildungspaket an. "Da, wo die Kommune es möchte, kann sie die Verantwortung für die Umsetzung übernehmen", sagte von der Leyen.
Rund 1,7 Millionen Kinder von Hartz-IV-Beziehern sollen nach Plänen des BMAS das Bildungspaket bekommen. Damit soll auch bedürftigen Kindern ermöglicht werden, sich im Sportverein oder in der Musikschule zu betätigen, an Klassenfahrten teilzunehmen, ein warmes Schulmittagessen zu bekommen und sich Hefte, Bleistifte und Bücher zu kaufen. Für Musikunterricht oder Sportverein ist ein Gutschein von monatlich pauschal zehn Euro vorgesehen. Aus einem Schulpaket gibt es zudem jährlich 100 Euro, von denen zu Schuljahresbeginn 70 Euro und im zweiten Schulhalbjahr 30 Euro bar ausgezahlt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren