Neues Sexualstrafrecht: Es darf wieder gefummelt werden
Auch Bikinifotos unter Jugendlichen werden künftig nicht mit Knast bedroht: Die große Koalition entschärft ihren Gesetzesentwurf zum Sexualstrafrecht.
BERLIN taz Heimliches Fummeln im Kino, ein zärtlicher Kuss im Hinterhof - Jugendliche machen sich durch sexuelle Experimentierfreudigkeit künftig doch nicht strafbar. Die große Koalition hat ihre Pläne zum Sexualstrafrecht entschärft. Dies bestätigte der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Gehb, der taz.
"Einem sozial adäquaten, alltagstypischen Verhalten darf nicht mit dem schärfsten Schwert unserer Rechtsordnung, der Kriminalstrafe, begegnet werden", sagte Gehb. Zuvor hatten sich die Rechtsexperten der großen Koalition und Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) auf eine Änderung ihres ursprünglichen Gesetzesentwurfs geeinigt.
Denn der hatte es in sich. Jugendliche unter 18 Jahren hätten demnach künftig bestraft werden können, wenn sie andere Jugendliche durch Geld oder Geschenke zu sexuellen Handlungen motivieren. Bisher sind in Paragraf 182 des Strafgesetzbuches aber nur sexuelle Handlungen mit Jugendlichen "unter 16" erfasst. Anlass für die geplante Änderung im Jugendstrafrecht war ein Rahmenbeschluss der Europäischen Union aus dem Jahr 2006.
Der Entwurf hatte nicht nur die Opposition aufgebracht. Auch Sexualexperten und Juristen schäumten. Denn theoretisch hätte sich nach der neuen Regelung ein 17-Jähriger schon strafbar machen können, wenn er seine Freundin ins Kino einlädt und sie dort dann küsst und streichelt - die Kinoeinladung wäre dann als Bezahlung für sexuelle Handlung betrachtet worden. Es drohten Geldstrafe oder Haft bis zu fünf Jahren. "Ein Rückfall in den Puritanismus der 50er-Jahre", kritisierte im Dezember der grüne Rechtspolitiker Jerzy Montag in der taz.
Jetzt haben die Rechtspolitiker den Entwurf alltagstauglicher gemacht. Demnach muss ein jugendlicher Täter nur dann eine Strafe befürchten, wenn er eine Zwangslage des Opfers bewusst ausnutzt. Heftig umstritten war auch ein zweiter Punkt, der jetzt abgeschwächt wurde: die geplante Regelung zu pornografischen Schriften, nach der die Darstellung sexueller Handlungen mit Jugendlichen generell verboten werden sollte. Im alten Gesetzesentwurf wurde nicht zwischen Kinder- und Jugendpornografie unterschieden: Damit wäre es für das Strafmaß egal, ob man anzügliche Bilder einer Dreijährigen oder einer 15-Jährigen anfertigt. "Als Opfer werden Jugendliche mit Kindern, als Täter dagegen mit Erwachsenen gleichgesetzt", so ein Sexualexperte damals.
Im überarbeiteten Gesetz gilt jetzt wieder ein unterschiedliches Strafmaß für pornografische Abbildungen von Kindern und Jugendlichen. "Im Vergleich zu der Strafbarkeit bei kinderpornografischen Schriften" seien jetzt "niedrigere Strafdrohungen" vorgesehen, heißt es im Entwurf. Und Minderjährige bleiben komplett straffrei, wenn sie "Jugendpornografisches" mit Einwilligung der Betroffen anfertigen oder verbreiten: Ein 15-Jähriger darf also von seiner gleichaltrigen Freundin Bikinifotos machen, ohne dass er das Einschreiten der Staatsanwaltschaft fürchten muss.
Für die Opposition ist das zumindest ein Schritt nach vorn. FDP-Fraktionsgeschäftsführer Jörg van Essen begrüßte die Einigung, dass das Mindestalter des Täters wieder 18 Jahre betragen müsse: "Es war völlig unverständlich, warum der Gesetzentwurf der Koalition eine Aufhebung des Täteralters beim sexuellen Missbrauch vorsah."
Jetzt muss nur noch der Rechtsausschuss die Änderungen absegnen. Das könne noch vor der Sommerpause geschehen, hieß es.
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