Neues Programm RockMelt: Ins Netz mit dem Freunde-Browser
Viele Nutzer bewegen sich in sozialen Netzwerken und stellen dort ihre Inhalte ins Netz. Die Macher von RockMelt glauben, dass sie einen eigenen Browser brauchen.
Marc Andreessen, Erfinder des Pionier-Browsers Netscape, hat ein Näschen für gute Geschäftsideen. Nach seinem ersten großen Erfolg führte er mit der Infrastrukturfirma Opsware eine weitere Neugründung an die Börse und verdiente erneut Millionen. Mittlerweile er nur noch Investor und betreibt eine eigene Risikokapitalfirma. Mit ihr hat er in das Internet-Unternehmen RockMelt investiert und gibt gleichzeitig eine prima Galionsfigur ab.
Über sein Investment muss man sich nicht wundern. RockMelts Kernprodukt ist ein Browser. Er hört auf den gleichen Namen wie die Firma und soll, so hoffen es jedenfalls die Macher, ein Browser für eine neue Nutzergeneration werden. Diese unterscheidet sich, glaubt man bei RockMelt, diametral von den vorhergegangenen. Statt im Netz hauptsächlich zu konsumieren, will der Nutzer 2.0 ständig mit seinen Freunden chatten, mit wenigen Mausklicks Bilder, Videos oder Bewertungen hochladen. Und das alles soll, wenn möglich, an einem zentralen Ort für mehrere Netzwerke (von Twitter bis Facebook) erledigt werden, damit es nicht zu viel Zeit kostet.
RockMelt glaubt, eine Marktlücke gefunden zu haben. Um den Hype noch zu schüren, macht sich der kostenlose Browser derzeit noch rar. Anfangs darf man nur auf Freundeseinladung mitmachen oder darauf hoffen, über Facebook einen "Early Access" zu erhalten. Eine Million User will RockMelt möglichst schnell einsammeln - ein bescheidenes Ziel.
Wer Zugang zum neuen Browser hat, sieht etwas, das Googles Browser Chrome ähnlich sieht. Das hat seinen Grund: RockMelt ist kein neues Produkt, sondern nutzt für die Darstellung von Webseiten die Chrome-Grundlagentechnik Chromium. Ergänzt wird sie mit eigenen Fensterbereichen für soziale Netzwerke. Auf der linken Seite sieht man seine Lieblingsfreunde, während rechts verschiedene Dienste prangen. Hier kann man dann beispielsweise seinen Facebook-Nachrichtenstrom (Newsfeed) lesen, ohne bei Facebook auf die Seite gehen zu müssen, einen Tweet senden oder etwas bei Evernote bookmarken.
Ein "Teilen"-Knopf ("Share") erlaubt das flotte Übertragen von Inhalten ins persönliche Lieblingsnetz - oder aber direkt an Freunde. Der Satz "Guck mal, tolles Katzenvideo!" samt Multimedia-ANhang war wohl noch nie so schnell übermittelt wie hier. Schön ist auch eine Suchfunktion, die das schnelle Öffnen von interessanten Ergebnissen in Tabs erlaubt.
RockMelts Ansatz ist keineswegs neu. So existiert mit Flock bereits seit 2005 ein ähnliches Produkt, das seine Macher "Social Web Browser" nennen. Auch bei Flock sind soziale Netzwerke in eigenen Browser-Bereichen untergebracht und lassen sich beim Surfen schnell aufrufen. Ursprünglich baute Flock auf den freien Browser Mozilla Firefox auf, schwenkte zwischenzeitlich aber auf Googles Chromium um. Vom Aufbau nehmen sich RockMelt und Flock wenig, entscheidend ist der Funktionsumfang. Und da wirkt RockMelt moderner als Flock, bei dem sich Beobachter bereits seit einigen Jahren fragen, wie es sich finanziert.
Zudem muss die Frage erlaubt sein, ob spezielle Browser für soziale Online-Aktivitäten wirklich nötig sind. So nutzt beileibe nicht jeder die Netzwerke, Foto- und Videoangebote oder Bewertungsportale so intensiv, wie es die RockMelt-Macher der Welt in einem eigens produzierten Werbefilm weismachen wollen.
Auch ist das Interface des Browsers mit all den Freundesbildchen derart überfrachtet, dass man vom Wesentlichen abgelenkt wird: dem Surfen im Web. Da es längst Programme gibt, die das Netzwerken in einer eigenen Applikation zusammenfassen, stellt sich die Frage, was das alles überhaupt soll.
Schließlich wäre da noch das Thema Datenschutz. Wer RockMelt nutzt, überträgt wichtige Infos aus seinen sozialen Netzwerken zunächst an das Unternehmen, die diese auch zwischenspeichert. Einige Teile der Datenschutzbedingungen haben es, zumindest aus europäischer Sicht, in sich. So räumt RockMelt ein, "persönlich identifizierbare Informationen" zu speichern und sammelt sie unter anderem, um "RockMelt besser zu machen".
Später gelöscht werden können sie nicht in jedem Fall. Weil die meisten Informationen "anonym" seien, könne es für RockMelt "schwer (oder gar unmöglich)" sein, die Daten zu lokalisieren und zu vernichten. "Wenn Sie wollen, dass wir Ihre Daten löschen, kontaktieren Sie uns." Man werde dann den Versuch unternehmen, alle Daten zu finden und zu löschen, "wenn wir keine rechtliche Verpflichtung haben, sie aufzubewahren".
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