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Neues Glück, alte Diätenhöhe?

Union und SPD wollen Aufstockung notfalls ohne Grundgesetzänderung. Der Bundesrat soll am Freitag entscheiden. Die Grünen lehnen Diäten-Kommission ab  ■ Von Hans Monath und Volker Weidemann

Bonn (taz) –Die schwer geprügelten Sozialdemokraten halten sich zurück: Die SPD-Fraktion hat gestern in Berlin kein eigenes Modell zur Diätenreform vorgelegt. Nur gemeinsam mit der vom Sturm der Kritik bislang weitgehend verschonten CDU/CSU-Fraktion will die Oppositionspartei einen neuen Anlauf zur Anhebung der Diäten unternehmen. „Das ist keine Sache der SPD allein, sondern des ganzen Parlaments“, befand der Geschäftsordnungsausschußvorsitzende und SPD-Abgeordnete Dieter Wiefelspütz.

Die Führung der CDU/CSU- Fraktion teilt das SPD-Ziel, die Diätenerhöhungen trotz Kritik zu retten. Auch Unionsstrategen denken darüber nach, wie sie mit einem neuen Gesetz die Diäten auf die geplante Höhe (mehr als 15.000 Mark) heben können, falls der Bundesrat am Freitag erwartungsgemäß die Grundgesetzänderung ablehnt. Gescheitert wäre der geplante Automatismus der Diätenanhebung durch Angleichung an Richtergehälter: Das Parlament müßte weiter über die eigenen Bezüge abstimmen.

Viel Zeit für neue Lösungen bleibt den Fraktionschefs nicht. Eine Mehrheit für die Verfassungsänderung ist im Bundesrat am Freitag unwahrscheinlich. Auch die Regierungen von Niedersachsen und Rheinland-Pfalz legten sich gestern fest: Sie wollen nicht für die Grundgesetzänderung stimmen.

Falls die Länderkammer die Vorlage ablehnt, könnte das nicht zustimmungspflichtige Diätengesetz trotzdem an den Bundespräsidenten weitergeleitet werden. Die Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat allein wegen des Abgeordnetengesetzes gilt als unwahrscheinlich.

Der Bundesrat könnte die Abstimmung über die Grundgesetzänderung auch in letzter Minute vertagen, falls die Fraktionsspitzen in den kommenden Tagen signalisieren, daß sich eine neue Lösung abzeichnet.

Die Bündnisgrünen bleiben bei ihrer Forderung, wonach die Abgeordneten über die Höhe ihrer Diäten auch in Zukunft selbst entscheiden sollen. Der Abgeordnete Gerald Häfner forderte gestern erneut, sich bei der jährlichen Festlegung der Bezüge an der Entwicklung der Arbeitnehmereinkommen (in diesem Jahr 3,5 Prozent) zu orientieren.

Den jüngsten Vorschlag der Liberalen, eine unabhängige Kommission für die Diäten einzusetzen, nannte Häfner „peinlich und feige“. Das sei eine „ziemlich unsägliche Idee“, die erneut „den Zustand dieser Partei“ dokumentiere. Mit einer solchen Kommission stehle sich das Parlament nur wieder aus der Verantwortung, die eigenen Bezüge vor der Öffentlichkeit zu rechtfertigen.

Während Häfner gestern für eine „moderate Erhöhung“ der Abgeordnetenbezüge im laufenden Jahr plädierte, hatte Fraktionssprecher Joschka Fischer tags zuvor eine Nullrunde gefordert, „um den Schaden wiedergutzumachen“. Häfners Position hatte sich allerdings in der Vergangenheit eine Mehrheit der Fraktion angeschlossen. „Wir werden sehen ob Fischers Vorschlag zu einer neuen Beschlußfassung führt“, meinte Häfner zum Vorstoß des Fraktionssprechers.

Die Bündnisgrünen wollen außerdem einen Gesetzesentwurf ins Parlament einbringen, nach dem die Abgeordneten in Zukunft alle Nebeneinkünfte offenlegen sollen. Außerdem müßten Nebenbeschäftigungsverhältnisse, die die Unabhängigkeit des Abgeordneten beeinträchtigen könnten, wie Aufsichtsratsmandate und Beraterverträge „stark begrenzt“ werden. Einen ähnlichen Vorschlag der beiden SPD-Abgeordneten Peter Conradi und Norbert Gansel zur Offenlegung von Nebeneinkünften hatten bei der Abstimmung über die Diätenreform vor drei Wochen rund 250 Bundestagsabgeordnete unterstützt.

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