Neues Atomgesetz im Iran: Parlament schießt quer
Irans Regierung hofft auf eine Rückkehr der USA in den Atomdeal. Das Parlament aber hat eigene Pläne und verabschiedet ein delikates Gesetz.
„Wir haben nicht nur die Befugnis, sondern auch die Pflicht, uns einzuschalten“, konterte Parlamentspräsident Mohammed Bagher Ghalibaf. Das Gesetz solle dafür sorgen, dass „das iranische Atomprogramm nicht zu einer Einbahnstraße des Westens“ werde, sagte Ghalibaf. Das Parlament wolle sogar Geld- und Gefängnisstrafen gegen diejenigen verhängen, die das Gesetz ignorieren sollten.
Hintergrund des verbalen Schlagabtauschs ist ein Gesetz, nach dem die AEOI pro Jahr 120 Kilogramm 20-prozentiges Uran herstellen und lagern soll. Längerfristig soll dann auch der Vorrat an niedrig angereichertem Uran auf 500 Kilogramm im Monat aufgestockt und zudem sollen schnellere Zentrifugen hergestellt werden.
Politisch delikat ist der im Gesetz vorgesehene Ausstieg des Irans aus dem Zusatzprotokoll der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), der dann auch den Zugang von UN-Inspekteuren beschränken oder gar verbieten würde.
Neuverhandlung des Iran-Deals?
Das Gesetz verstößt in allen Punkten gegen das Wiener Atomabkommen von 2015, das den Iran von einem Atomwaffenprogramm abhalten sollte. Der Schritt könnte nicht nur zu ernsthaften Differenzen zwischen dem Iran und der IAEO führen, sondern auch eventuelle Verhandlungen zwischen Teheran und der neuen US-Regierung des gewählten Präsidenten Joe Biden erschweren. Die iranische Regierung hofft, dass Biden zum Atomdeal zurückkehrt und die von US-Präsident Donald Trump verhängten Sanktionen gegen Teheran aufhebt.
Der Gesetzesentwurf war im August erstmals ins Parlament gelangt. Infolge des am Freitag verübten tödlichen Anschlags auf den hochrangigen Atomforscher Mohsen Fachrisadeh nahe Teheran wurde das Verfahren nun offensichtlich beschleunigt. Das Parlament will mit dem Gesetz die „Ziele“ des „Märtyrers Fachrisadeh“ verwirklichen, der nach Angaben des Irans von Israel und den oppositionellen Volksmudschahedin getötet wurde.
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