Neues Album von The Cure: Träumen statt Wissen
Die neue Platte von The Cure heißt "4:13 Dream" und schafft mit angedeuteten Ähnlichkeiten eine Art Vertrautheit. Bleibt die Welt stehen, geht das Leiden an ihr weiter?
The Cure, die Heilung. In den ausgehenden Achtzigerjahren war das, besonders für Spätpubertierende, eine enorm wichtige Band. Wer intensiv fühlte, wer sich intensiv verliebte oder intensiv in Weltschmerz und Liebeskummer versinken wollte, ohne die Peinlichkeit schmieriger Mainstreamhits wie die von Bryan Adams, Gary Moore oder Simply Red ertragen zu wollen, hörte zwischen 1984 und 1989 The Smiths, Depeche Mode und The Cure. Wobei The Cure sich nicht in der Soundgebung für verzweifelte Jugendliche erschöpften, die Band war damals Avantgarde, entwickelte sich Schritt für Schritt weiter, vom Punk der Anfangstage über die sehr elegischen Platten wie "Faith" bis hin zum Pop, der lediglich durch Robert Smiths Jammerstimme ins Schwierige verzerrt war.
1989 war mit "Disintegration" dann Höhe- wie Schlusspunkt der Band erreicht. Lol Tolhurst, langjähriger, kongenialer Partner von Smith, stieg aus der Band aus, das ewige Image des kajalbeschmierten Zottelfrisurträgers wurde für erwachsene Konzepte allmählich peinlich, und das musikalische Karussell drehte sich inzwischen anderswo heftiger: Es gab Indie-Rave, dann kam Grunge, und später besann man sich auf alternative Musik aus den USA. The Cure ohne Tolhurst versuchten, dem Trend zu folgen und brachten Dance-Remixe ihrer Hits heraus. In der Folge erschienen unentschiedene Alben mit schwachbrüstigen Hits wie "Friday Im In Love" oder "Mint Car". Smith tingelte durch die Lande, spielte Akustikkonzerte und bekam schließlich den MTV-Award fürs Lebenswerk. The Cure waren tot.
In den letzten Jahren erfuhren The Cure dann so etwas wie eine Renaissance. Junge Bands wie The Rapture, Forward Russia oder Bloc Party konnten den Einfluss der Band um Robert Smith auf ihr musikalisches Tun kaum verbergen. "Faith" oder "Pornography" wurden als Klassiker des New Wave oder des Postpunks wiederentdeckt und neu editiert. The Cure lieferten eine anspruchsvolle, für ein Spätwerk respektable Platte ab, die schlicht den Bandnamen als Titel trug. Robert Smith war wieder da.
Jetzt erscheint also mit "4:13 Dream" das 13. Studioalbum der Band. Das Eröffnungsstück "Underneath the Stars" gemahnt mit Schellenbaum und versunkener Stimmung an "Plainsong" aus "Disintegration", in der Folge bleiben die Erinnerungen aber undeutlich. The Cure gelingt es, keine reine Selbstzitatplatte hinzulegen, sondern mit angedeuteten Ähnlichkeiten so etwas wie Vertrautheit herzustellen: "The Only One" ist das seltsame Popstück, das es ins Radio schaffen wird. "Sleep When Im Dead" klingt entfernt wie "Lets Go to Bed" (der Basslauf) oder irgendein Stück aus "The Head on the Door" (der Rest).
Das beste Stück ist das verwaschene "The Stream". Smiths Stimme ist nur unmerklich älter geworden, für Drogeneskapaden oder Kettenrauchen war der mit seiner Jugendliebe Mary verheiratete Mann auch nie die Richtige. Die Gitarren ziehen immer noch hübsche Schleifen und Girlanden, Simon Gallup, zwischendurch ebenfalls ausgestiegen, spielt Bass, hypnotisch wie eh und je, die zweite Gitarre kommt von Porl Thompson, am Schlagzeug sitzt Jason Cooper.
Kommen wir also zu den Unterschieden: Das Schlagzeug klingt bei weitem nicht so verhallt und verklopft wie das zu Zeiten von Boris Williams noch war. Die billig und wuchtig schief klingenden Keyboardsounds fehlen völlig, es ist aber auch nicht so, dass man sie vermisst. Der phasenweise wichtige Hang zur Exotik, der Platten wie "The Top" geprägt hat, fehlt auf "4:13 Dream" völlig.
Die 13 Stücke sind von keinerlei modischen Einflüssen angekränkelt. Schwere Verstörung, depressive Kaputtheit, endlose Traurigkeit: nur in Ansätzen vorhanden. Stattdessen klingt das Album metallisch und klar, rein und reinlich, nüchtern und entschlossen, nur dass die Richtung nicht wirklich deutlich wird. "I cant remember anything I did or said", singt Smith an einer Stelle. Nicht zufällig wird in den Linernotes Van Gogh zitiert: "For my part I know nothing with any certainty? But the sight of the stars makes me dream."
Träumen statt Wissen also, das war schon in der Pubertät ein immer gern genommenes Konzept. Älter werden wir aber alle, auch Robert Smith (der im nächsten Jahr tatsächlich 50 wird). Wie zu hören ist. Auch wenn es nicht mehr so weh tut wie früher.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“
Verbotskultur auf Social Media
Jugendschutz ohne Jugend