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Neues Album der Dirty ProjectorsHeilung durch Pop

Die New Yorker Band Dirty Projectors legt mit „Swing Lo Magellan“ ihr bisher zugänglichstes Album vor. Obwohl es die Künstler beim Hadern und Zweifeln zeigt.

Geh'n auch mal vor die Tür: Die Dirty Projectors aus New York. Bild: Jason Frank Rothenberg

Ein portugiesischer Seefahrer als Namenspatron eines Spirituals? Konzeptualistische Winkelzüge ist man von den Dirty Projectors schon gewohnt.

Schließlich hat sich die Band aus einem intellektuellen Interesse an Pop gegründet. Und genau dafür mag man sie auch. Zuletzt spielten die New Yorker Musiker zusammen mit Björk ein Chorwerk über eine Walfamilie ein („Mount Wittenberg Orca“, 2011).

Ihr neues Album „Swing Lo Magellan“ streift jegliche Anflüge des Esoterischen ab wie einen alten Anzug. „Ich bin von der Ostküste, ich mag es, wenn Gegensätze produktiv genutzt werden können“, erklärt Bandleader David Longstreth lapidar zur Arbeitsweise seiner Band, die die einfachsten Dinge komplex inszeniert und die kompliziertesten simpel erscheinen lässt. Unvereinbare Stile lassen die Dirty Projectors auch auf „Swing Lo Magellan“ aufeinanderprallen.

Bereits der Albumtitel meißelt diese Kultur der Gegensätze in Worte. Er wandelt den Titel des afroamerikanischen Traditionals „Swing Low, Sweet Chariot“ ab – eine Hymne des Widerstands gegen die Rassentrennung im 19. Jahrhundert – und schließt ihn mit Ferdinand Magellan kurz, einem frömmelnden Conquistador, der sich im 16. Jahrhundert die Welt bei einer Umsegelung untertan machte.

Magellan als Leitfigur

„Magellan schwebt als widersprüchliche Figur über allen Songs, so wie der Revolverheld John Wesley Harding die Seele für Dylans gleichnamiges Album gewesen ist“, erklärt Longstreth.

Die zwölf Songs auf „Swing Lo Magellan“ nehmen ungeachtet des Überbaus Eigenleben an. Jeder von ihnen steht für sich wie eine Kurzgeschichte in einem Erzählungsband. Mit eigenem Charakter und Setting. Und doch ergibt sich zusammengenommen eine absolut zwingende Album-Dramaturgie, die den Status der New Yorker als Popvisionäre unterstreicht.

Bild: taz
sonntaz

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Dem ekstatischen Auftakt-Schüttler mit R&B-Beatdesign und Heavy-Gitarrenriff („Offspring Are Blank“), folgen etwas später die ruhige Moralität des dylanesken Titelsongs und ein Eisenkugeln schleppender, durchgehend in unisono vorgetragener Blues namens „Maybe That Was It“.

„Uns war einfach nach Blues zumute“, sagt Longstreth ungerührt. Zudem komponierte er Liebeslieder mit entwaffnenden Refrains, Songs im Call-and-Response-Schema, süffige Chorarrangements und Hooklines, die zeigen, dass er und seine Band aus einem Pop-Instinkt heraus Musik machen.

Spartanische Folk-Arrangements

Aber wie soll man sich auf den Instinkt verlassen in einer Welt, die bis in die Privatsphäre kolonialisiert ist? Der Protagonist des Songs „Swing Lo Magellan“ blickt mit Karte und Kompass gen Westen und findet an der Küste eine gitterförmige Struktur, Grundriss der amerikanischen Stadt.

Musikalisch sucht der Titelsong Unterschlupf in einem spartanischen Folk-Arrangement. Ein Abbild der Geschichte des unheimlichen, alten Amerika und der Country- und Blues-Songs der Landarbeiter und Sklaven mit ihrem auch aus der Bibel abgeleiteten Erfahrungsschatz. Country und Blues waren bereits inspirierend für mehrere Pop-Generationen vor den Dirty Projectors. Der 30-jährige Longstreth sieht seine Band aber durchaus in dieser Kontinuität.

„Was den Kanon des Pop und seine chronologische Entwicklung angeht, wurde er durch das Internet zunächst aus der Bahn geworfen. Viele meiner Zeitgenossen nutzen das Netz als ahistorisches Archiv, das spiegelt sich in der ungeheuren Kreativität beim Kombinieren alter Stile wider. Ich finde es erst mal cool. Doch mich stört, dass die Spontaneität flöten geht, wenn man die Dynamik des Kanons ignoriert.“

„Swing Lo Magellan“ ist eher im übertragenen Sinn ein geschichtsbewusstes Album. Den Dirty Projectors ging es bei den Aufnahmen um genau diese Spontaneität. Nicht die chirurgisch präzise Performance war entscheidend, sondern der magische Moment. Seine Gesangsspuren seien bis auf zwei Songs First-take-Versionen, erzählt Longstreth. Bisher zeichneten sich Dirty-Projectors-Alben eher durch ihre Perfektion und Mühelosigkeit aus. „Swing Lo Magellan“ zeigt die Künstler beim Hadern und Zweifeln.

Der Bruder als Ideengeber

Aus den Instrumentalparts sind immer wieder Unebenheiten herauszuhören. „When should I bust into that harmony?“, fragt die Gitarristin und Sängerin Amber Coffman im Song „Unto Caesar“ und es scheint nicht gespielt. Die Ideen für die Musik entstanden auf dem Sofa von Longstreth’ Bruder Jake, der nach New York gezogen war und dort einen holzigen Anfang im Kunsthandel hatte. „Wir haben zusammen abgehangen, Bier getrunken und uns mit der Musik von Howlin’ Wolf getröstet“, so David Longstreth, für den sein fünf Jahre älterer Bruder seit jeher eine Instanz in Sachen Musik ist.

„Our Life is pointless, harsh and long“, singt Longstreth im Album-Finale „Irresponsible Tune“. Der Gesang beklagt sich aber keinesfalls über die kleinen und großen Gemeinheiten des Lebens, er appelliert an die heilende Kraft des Pop im Allgemeinen und an den ergreifenden Klang von Elvis’ Stimme zu Zeiten der Sun Sessions im Besonderen.

„Es ging uns darum, mit einfachen Mitteln auf unsere Erfahrungen Bezug zu nehmen.“ In der Tat, „Swing Lo Magellan“ ist das bisher zugänglichste Album der Dirty Projectors. Und damit verhält es sich antagonistisch zur eigenen Bandgeschichte.

Dirty Projectors: "Swing Lo Magellan" (Domino/Rough Trade)

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