Neuer Regierungschef in Libyen: Weichenstellung in Tripolis
Der Elektroingenieur Abdel Rahim el Kib setzt sich bei der Wahl des neuen Chefs der künftigen Übergangsregierung gegen vier andere Kandidaten durch.
TRIPOLIS/NEW YORK afp/dpa | Neuer Chef der künftigen libyschen Übergangsregierung ist der Wissenschaftler Abdel Rahim el Kib. Kib wurde am Montagabend in Tripolis von den Mitgliedern des Nationalen Übergangsrats gewählt. Nach dem Fahrplan für den Übergangsprozess in Libyen soll Kib die Übergangsregierung bis Ende November gebildet haben.
Kib setzte sich im ersten Wahlgang mit 26 von 51 Stimmen gegen vier Konkurrenten durch. Der bisherige Regierungschef des Übergangsrats, Mahmud Dschibril, trat nicht an. Als erster gab der Präsident des Übergangsrats, Mustafa Abdel Dschalil, seine Stimme ab. "Diese Abstimmung beweist, dass die Libyer fähig sind, ihre Zukunft zu gestalten", sagte Dschalil.
Neben Kib kandidierten der Öl- und Finanzminister des Übergangsrats, Ali Tarhuni, der langjährige Oppositionspolitiker Idris Abu Fajed, der Vertreter des Übergangsrats in Europa, Ali Sidan, und der Wissenschaftler Mustafa el Rodschbani. Mit 19 Stimmen landete Rodschbani auf dem zweiten Platz, auf Tarhuni entfielen nur drei Stimmen. Hätte keiner der Kandidaten in der ersten Runde eine absolute Mehrheit erhalten, hätte es eine Stichwahl gegeben.
"Wir werden uns dafür einsetzen, eine Nation aufzubauen, welche die Menschenrechte beachtet und deren Verletzung nicht hinnimmt", sagte Kib auf einer Pressekonferenz nach seiner Wahl.
Zugleich betonte er, dafür brauche es Zeit. Er würdigte auch die "revolutionären" Milizen, deren Entwaffnung "mit dem nötigen Respekt" angegangen werde. Sie teilten die Überzeugung, dass die "Stabilität des Landes" extrem wichtig sei.
In acht Monaten Wahlen
Der aus Tripolis stammende Elektroingenieur Kib war bisher wenig bekannt und hat einen Großteil seiner Karriere im Ausland verbracht. Laut einer ihm gewidmeten Facebook-Seite ist Kib 1950 geboren und hat Abschlüsse von Universitäten in Tripolis, Kalifornien und North Carolina. Er lehrte an der Universität Alabama, wo er 1996 Professor wurde. Später lehrte er auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten, bevor er 2005 in Libyen eine eigene Firma gründete.
Nach der Bildung der Übergangsregierung sollen binnen höchstens acht Monaten Wahlen zu einer verfassunggebenden Versammlung stattfinden und spätestens ein Jahr darauf Parlamentswahlen. Der Übergangsrat hatte am 23. Oktober nach 42 Jahren unter der Herrschaft von Muammar el Gaddafi, der am 20. Oktober getötet wurde, die Befreiung des Landes erklärt. Am Montag beendete die NATO offiziell ihren Einsatz in dem nordafrikanischen Land.
Fast gleichzeitig drängten die Vereinten Nationen Libyen zur stärkeren Kontrolle der vielen Waffen im Land. Die 15 Mitglieder des UN-Sicherheitsrates verabschiedeten am Montag in New York einstimmig eine entsprechende Resolution. Darin wird die Übergangsregierung in Tripolis aufgefordert, die Waffen im Land zu erfassen, einzusammeln oder zu zerstören. Zugleich werden nicht nur Libyen, sondern auch alle Nachbarstaaten ermahnt, den Schmuggel von Waffen zu verhindern.
Besondere Sorgen bereiten den Staaten kleine Flugabwehrraketen, die ein Schütze auf den Schultern trägt und dann abfeuert. Die Resolution fordert, den Schmuggel dieser Raketen zu verhindern. Dazu sollen die Grenzkontrollen verstärkt und die Transportwege besser überwacht werden.
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