Neuer Park am Gleisdreieck: Alles voller Leute hier
Radfahren, Spazieren, Bauchmuskeln trainieren: Die BerlinerInnen haben den neuen Ostpark am Gleisdreieck sofort in die Stadt integriert - aller Kritik zum Trotz.
Als wäre es immer so gewesen. Unmittelbar nach der Eröffnung des Parks am Gleisdreieck radeln, skaten, spazieren und joggen die Berliner über das Gelände, als sei dieses seit Jahren ein fester Bestandteil ihrer Stadt. "Wir waren schon vor ein paar Tagen hier, da war aber noch zu", erzählt Rainer Remmel, der mit Familie und Kinderwagen unterwegs ist. "Jetzt sind wir gleich noch mal gekommen, und wir sind richtig zufrieden." Mit den Remmels haben hunderte, wenn nicht tausende Flaneure am vergangenen Wochenende die 17 Hektar Freifläche zwischen Yorck- und Möckernstraße unter die Lupe genommen. Unaufgeregt, selbstverständlich - und äußerst angetan.
Dabei hatte es zuvor Kritik gehagelt an den Senatsplanungen. BürgerInnen fühlten sich nicht ausreichend beteiligt, NaturschützerInnen bestanden auf mehr Wildnis. "Es ist bedauerlich, dass von der ursprünglich wilden Vegetation auf dem Gelände so wenig erhalten geblieben ist", sagte etwa die Bezirksfraktions-Chefin der Grünen, Antje Kapek.
Gleichzeitig indes wollte der Grüne Bezirksbürgermeister Franz Schulz den Park als seine Errungenschaft verbuchen. 15 Jahre habe er dafür gekämpft, erklärte Schulz - womöglich ahnend, dass seine potenziellen WählerInnen das Areal trotz viel Gestaltung ganz prima finden. "Ich finde es schön, dass naturbelassene Inseln da sind, ein bisschen ist das wie am Südgelände", findet etwa Bärbel Leuteritz. Sie ist mit der U-Bahn angereist, ihr Rad hat sie mitgebracht. "Das ist auch gut mit den Wegen, da kann man entspannt mit dem Fahrrad fahren."
In der Tat ist der Park eine Mischung aus Gestalten und Zum-Erleben-Einladen: interessanter und abwechslungsreicher als das Tempelhofer Feld, zugleich ursprünglicher als so mancher Volkspark. Das Berliner Landschaftsarchitekturbüro Loidl hat hunderte Bäume und Sträucher neu gesetzt, Wege angelegt, eine Rasenfläche zum Liegen und Spielen geschaffen. Auch Plätze zum Skaten und Fußballspielen gibt es und natürlich einen Spielplatz. Dazwischen sind mehr als ein Dutzend Kleinareale mit den ursprünglichen Pflanzen erhalten. Schilder weisen darauf hin, diese Naturinseln sich selbst zu überlassen. An mehreren Stellen öffnet sich zudem der Blick auf das Freigelände hinter dem Technikmuseum, ein ebenfalls ziemlich eingewachsenes Stück Land.
Im Park erinnern überwucherte Gleise, Reste von Bahn-Werkzeug und Hallenteile daran, dass hier einmal einer der zentralen Bahnhöfe Berlins stand: der Anhalter Güterbahnhof. "Für Kinder hat das so eine Art Abenteuer-Effekt, das ist gut", sagt ein Student der Landschaftsarchitektur, der sich das Gelände am Sonntagmorgen anschaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg rumpelte nur noch die U-Bahn auf ihrer Hochbahntrasse über das Gleisdreieck, das sich mit der Zeit zur grünen Brache entwickelte. Schon vor Jahrzehnten gab es allerdings Überlegungen, einen Park für die Menschen in den dicht besiedelten Nachbarvierteln zu schaffen - die Umsetzung zog sich hin, nicht zuletzt wegen Verhandlungen mit der Immobilienfirma Vivico.
Das jetzt eingeweihte Areal soll später durch den Westpark ergänzt werden, begrenzt von der ICE-Trasse und der Flottwellstraße ist. In zwei Jahren soll der auf neun Hektar geplante Westpark eröffnet werden. Gebaut wird auch noch am sogenannten Flaschenhals südlich vom Ostpark und den Yorckbrücken. Insgesamt plant das Land, 18 Millionen Euro für die Gestaltung des Gleisdreiecks auszugeben. Der Park ist immer offen und kostet keinen Eintritt.
Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer kündigte bei der Eröffnungsfeier am Freitag eine Revision nach ein bis zwei Jahren an: Dann wollten die Planer schauen, welche Nutzungen bei den Besuchern ankommen, welche nicht, was fehlt. Familienvater Remmel fällt erst einmal gar nichts Negatives ein. "Das mit den Bänken finden wir prima, schlicht in Holz gehalten, richtige Parkmöbel und genug da", sagt er. Als Park komme ihm das eher gelegen als die weite Naturbelassenheit des Tempelhofer Feldes - schließlich wolle er sich auch einmal ausruhen beim Spaziergehen mit dem Nachwuchs.
Er könnte dabei einer Frau zuschauen, die auf der zentralen Rasenfläche ihre Bauchmuskulatur trainiert. Oder der Gruppe Federballspieler daneben. Oder einfach nur den Blick schweifen lassen, die Weite und die überraschende Abwesenheit von Straßenlärm genießen. Ganz normale Naherholung eben.
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