Neuer Grenzzaun in Europa: Griechenland schottet sich ab
Die griechische Regierung will sich gegenüber Flüchtlingen abschotten, die über die Türkei kommen. Dabei steht Frontex schon an der Grenze.
ISTANBUL taz | Die Zeit, als in Europa Mauern und Zäune niedergerissen und Grenzen geöffnet wurden, scheint endgültig vorbei. Zum neuen Jahr kündigte der griechische Minister für Heimatschutz, Christos Papoutsis, an, seine Regierung plane, entlang der 206 Kilometer Landgrenze zur Türkei einen massiven Zaun zu errichten. Dieser soll Griechenland nicht vor den Türken schützen, sondern Flüchtlinge aufhalten, die in die Europäische Union einwandern wollen.
"Das Vorbild für unseren Plan ist der Grenzzaun zwischen den USA und Mexiko", erläuterte Papoutsis. "Nur so können wir die illegale Einwanderung noch stoppen", behauptete der Minister. Die griechisch-türkische Grenze ist bereits seit Ende 2009 in den Fokus der europäischen Grenzschützer gerückt, weil seither immer mehr Flüchtlinge versuchten, über die Landgrenze Griechenland und damit einen EU-Schengenstaat zu erreichen.
Tatsächlich hatten im Jahr 2010 erheblich mehr Flüchtlinge als in den Jahren zuvor versucht, den türkisch-griechischen Grenzfluss Evros zu überqueren. Fast 50.000 Flüchtlinge, sagte der zuständige Polizeichef Giorgios Salamangas Mitte Dezember der taz, seien von Januar bis Ende September an der Grenze festgenommen worden, im Oktober hätte man jeden Tag fast 350 Flüchtlinge aufgegriffen. Griechenland hatte deshalb die europäische Grenzschutztruppe Frontex um Hilfe gebeten. Erstmals schickte die EU eine schnelle Eingreiftruppe an eine Außengrenze. Der am 1. November begonnene Einsatz der technisch hochgerüsteten EU-Polizeitruppe hat nach offiziellen Angaben dazu geführt, dass die Zahl der Flüchtlinge, die versuchten, die Grenze zu überschreiten, halbiert wurde.
Trotzdem will Griechenland jetzt Zaun bauen, offenbar in der Hoffnung, damit auch langfristig Flüchtlinge davon abzuhalten, an dieser Grenze ihr Glück zu versuchen. Der Baubeginn wird voraussichtlich gegenüber der türkischen Stadt Edirne erfolgen, weil die Grenze an dieser Stelle gut 12 Kilometer über Land verläuft, während der Fluss Evros die restlichen 194 Kilometer markiert. Da es schwierig und gefährlich ist, den Fluss zu überqueren, hatten es immer mehr Flüchtlinge an dem schmalen Streifen bei Edirne versucht.
Der Zaun wäre die konsequente Fortsetzung der Abschottung Europas, die mit Hilfe von Frontex von Gibraltar bis zur Ägäis bereits erfolgt ist. Daher wichen die Flüchtlinge auf weiter östlich gelegene Routen aus. Seit auch die Seewege zwischen der türkischen Küste und den griechischen Inseln schärfer bewacht wurden, blieb nur noch die Landgrenze.
Die Flüchtlingslager in Griechenland sind überfüllt und unterschreiten jede Norm für eine menschenwürdige Unterbringung. Ein geregeltes Asylverfahren kennt Griechenland so gut wie nicht. Fast alle Flüchtlinge versuchen deshalb, nach Italien und in andere EU-Länder zu gelangen. Nach dem Drittstaatenprinzip wurden sie aber lange nach Griechenland zurückgeschickt, weil sie dort angeblich schon in Sicherheit waren. Erst in den vergangenen Monaten haben deutsche Gerichte entschieden, dass Flüchtlinge wegen der inhumanen Bedingungen nicht nach Griechenland zurückgeschickt werden dürfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker