Neuer Film „Gloria“: Immer Ärger mit Rodolfo
In „Gloria“ hat die Heldin eine heftige Affäre, viel zu kiffen und auch sonst in der Mitte des Lebens alles im Griff. Dazu läuft zu Donna Summers „I Feel Love“.
![](https://taz.de/picture/149248/14/gloria_01.jpg)
Eine Party, bunte Lichter, Leute tanzen oder sitzen an Tischen. Das Publikum ist 50 oder älter, hat sich aber gut gehalten. Es läuft „I Feel Love“, die große Discohymne von Donna Summer, die seit 36 Jahren in vielen Versionen immer wieder den Höhepunkt von Disconächten markiert. Man sieht eine Frau, Gloria (Paulina García), unbeschwert tanzen, flirten, sich unterhalten. Im Film soll sie 58 Jahre alt sein; die Schauspielerin ist 52, man würde ihr kein Alter zuordnen oder sagen, sie befinde sich in ihrer Lebensmitte.
Gloria trifft Rodolfo, dem man durchaus ansieht, dass er über 60 ist. Sie landen im Bett. Eine Liebesgeschichte mit vielen Sexszenen beginnt.
In einem deutschen Film über eine Heldin Ende fünfzig, die wie ein junges Mädchen immer noch auf Partys geht, sich vergnügt, auf der Suche nach Sex ist und vielleicht auch nach einer Beziehung, würde eher sentimentale, ihrem Entstehungsjahr verhaftete Musik laufen, und eine Liebesgeschichte hätte immer auch etwas von einem Déjà-vu. Dass es in dem Film von Sebastián Lelio keine Sentimentalitäten gibt, dass Gloria also tatsächlich zu leben und zu tanzen scheint, wie sie immer gelebt und getanzt hatte, ist wohl einer der Gründe, weshalb der Film und seine Hauptdarstellerin auf der diesjährigen Berlinale gefeiert und Paulina García mit einem Silbernen Bären für die beste darstellerische Leistung ausgezeichnet wurde.
Zwar werden Probleme angedeutet; die Heldin verbringt viel Zeit damit, sich mit Yoga und Schwimmen fit zu halten; sie fühlt sich manchmal einsam in ihrer Wohnung und unterhält sich dann mit der haarlosen Katze des Nachbarn, die sie mal aufgelesen hat, doch eigentlich ist sie eine Powerfrau, wie man früher gern sagte. Sie hat einen guten Job, von dem man nicht mehr erfährt, fährt unbeschwert durch Santiago de Chile und singt die Lieder im Autoradio mit, hat ein gutes Verhältnis zu ihrer Patchworkfamilie und ihr Leben unter Kontrolle.
„Gloria“. Regie: Sebastián Lelio. Mit Paulina García, Sergio Hernández u. a. Spanien/Chile 2012, 110 Min.
Sie kommt zurecht
Der ältere Rodolfo dagegen ist der schwächere Part der Beziehung. Schon allein körperlich; er hat eine Magenverkleinerungs-OP hinter sich, aber vor allem psychisch: Als er auf einem Familienfest seiner neuen Freundin eingeladen ist, verschwindet er plötzlich, weil er sich wie das fünfte Rad am Wagen fühlt. Er kann oder will sich nicht ganz entscheiden und verschweigt Gloria deshalb zunächst, dass er immer noch mit seiner Exfrau verbunden ist, worauf sich Gloria von ihm trennt. Auch mit ihrem Trennungsschmerz kommt sie ganz gut zurecht.
Sie findet ein Päckchen mit Gras, beginnt zu kiffen und rächt sich sehr humorvoll an Rodolfo. Das Thema Kiffen im Alter tauchte in den letzten Jahren häufig im Film auf (zuletzt in der schönen französischen Komödie „Paulette“ von Jérôme Enrico), ist hier aber etwas übertrieben inszeniert, während politische Implikationen nur angedeutet und nicht ausgeführt sind.
„Gloria“ ist ein Wohlfühlfilm mit einigen großartigen Szenen, leidet manchmal aber auch darunter, dass er ausschließlich aus der Perspektive seiner Heldin erzählt ist.
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