Neuer Ärger um Gedenkkreuze: Kreuze zurück - Polizei ins Theater?
Aktivisten haben die Gedenkkreuze zurückgebracht, die sie für eine Polit-Kampagne entwendet haben. Dem Gorki-Theater droht Ungemach.
Geklaut? Entführt? Auf Reisen? Die in den letzten Tagen bundesweit bekannt gewordenen weißen Gedenkkreuze, die am Deutschen Bundestag an die Mauertoten erinnern und Anfang der Woche entwendet worden waren, sind wieder zurück. Das sagte Berlins Polizeipräsident Klaus Kandt am Montag bei einer Sitzung des Innenausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus. Auf Nachfrage der taz sagte ein Polizeisprecher, dass die Kreuze seit Sonntagabend um 22.30 Uhr wieder an Ihrem Ausstellungsort am Deutschen Bundestag seien.
Vier Personen hätten nach Beendigung der offiziellen Mauerfeierlichkeiten die Kreuze am Sonntagabend zurück gebracht. Die Polizei, die in der Sache wegen schweren Diebstahls ermittelt, habe die Personalien der Personen festgestellt.
Am Montag hatte sich das „Zentrum für politische Schönheit“ - eine Gruppe von Politaktivisten, Kunstaktivisten oder, je nach Standpunkt, Aktionskünstlern - dazu bekannt, die Gedenkkreuze „entliehen“ zu haben. Das war Teil einer Kampagne, mit der die Gruppe auf das Schicksal tausender Flüchtlinge aufmerksam machen wollte, die an den europäischen Außengrenzen bei dem Versuch, nach Europa zu fliehen, ums Leben gekommen sind.
Frühere DDR-Bürgerrechtler und CDU-Politiker zeigten sich empört. Bei der Gedenkstunde zum 25-jährigen Jubiläum des Mauerfalls hatte Bundestagspräsident Norbert Lammert die Aktion als „heldenhafte Attitüde mit einer pseudohumanitären Begründung“ bezeichnet, „die man für blanken Zynismus halten muss“.
Rückendeckung erhielt die Gruppe dagegen unter anderem von Flüchtlingsinitiativen und vom Berliner Maxim Gorki Theater. Dessen Intendantin Shermin Langhoff hatte der taz gesagt, die Gruppe fülle eine Lücke, die mit dem Tod des Regisseurs Christoph Schlingensief entstanden sei. „Die Aktion erzeugt Aufmerksamkeit für die katastrophale Situation der von Flucht betroffenen Menschen an den EU-Außengrenzen. Sie nimmt die Vergangenheit als Auftrag ernst.“
Die Kunstaktion unter dem Stichwort „Erster Europäischer Mauerfall“ hatte noch eine weitere Komponente: Mit zwei Bussen des „Zentrums“ fuhren rund 100 Aktivisten am Freitag in Berlin los, um am 9. November an der europäischen Außengrenze den Grenzzaun zu beschädigen – was ihnen allerdings nicht gelang. Die Abfahrt war gleichzeitig die Eröffnungsaktion eines Kunstfestivals am Berliner Gorki-Theater zum Thema Widerstand – und sorgte dort am Freitag für massive Polizeipräsenz. Beamte durchsuchten die Busse und das Gepäck der Mitreisenden, ehe die Busse abreisen durften.
Auch der Intendantin Langhoff selbst könnte nun noch Ärger dräuen: Im Tagesspiegel hatte Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) am Sonntag geschrieben, eine Intendantin könne sich nicht „hinter dem Kunstbegriff verstecken, wenn sich am Opfergedenken versündigt wird“. Besonders bitter sei, dass „die Komplizenschaft“ offenbar mit Steuergeldern gefördert werde, schrieb Henkel weiter. „Die Rolle des Gorki-Theaters muss dringend aufgeklärt werden.“
Offen ist allerdings, was die Äußerungen des Berliner Innensenators nun genau bedeuten können: Hat die Polizei ein Ermittlungsverfahren gegen die Intendantin eröffnet? Rücken bald auch Ermittler im Theater an? Auf Rückfragen im Innenausschuss wollten sich die Senatsvertreter dazu nicht konkret äußern. Ein Innenstaatssekretär sagte nur allgemein: „Ermittlungen werden in alle Richtungen geführt.“
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