Neue linke Zeitung in Spanien: Genossenschaftsträume werden wahr
La Marea heiß eine neue linke Zeitung in Spanien. Sie gehört den Mitarbeitern und einer Genossenschaft und will vor allem über soziale Themen berichten.
MADRID taz | Spanien hat eine neue Zeitung. Zwölf ehemalige Mitarbeiter der Belegschaft der im Februar 2012 geschlossenen Tageszeitung El Público haben ihren Traum wahrgemacht. Am Freitag erschien erstmals ihr neues Projekt La Marea (Die Flut). Rund 30 Mitarbeiter der untergegangen El Público liefern als freie Autoren zu.
Über 20.000 Exemplare wurden an die Kioske in Madrid, Barcelona und Valencia geliefert. In andere große Städte des Landes organisierten sich Leservereinigungen, um die Zeitung zu verbreiten. Vorbild für das neue Blatt, ist das Genossenschaftsmodell der deutschen taz, die tageszeitung.
76 Genossen zählt das Projekt bisher. Zusammen mit den zwölf Journalisten haben sie knapp 100.000 Euro investiert, um das Experiment zu wagen. Einer der Genossen stellte gar Räumlichkeiten für die Redaktion zur Verfügung. Die Sprecherin der taz-Genossenschaft, Konny Gellenbeck, macht La Marea Mut. „Nur die Medien, die eine Gemeinschaft hinter sich wissen, werden überleben“, schreibt sie.
La Marea will mehr Nähe zu den Lesen als herkömmliche Publikationen. „Wir werden dreigleisig fahren“, erklärt Trini Deiros (41), Redakteurin der ersten Stunde bei El Público und jetzt eine der zentralen Figuren in der neuen Radaktion, die ohne Hierarchie auskommt. „Über die Tagesaktualität werden wir weiterhin auf unserer Internetseite berichten. Parallel wird es es eigene Inhalte für die Leser, die in die Genossenschaft investiert haben. Hintergründiges und Reportagen gibt es auf Papier. Wir streben eine Wochenzeitung an, auch wenn wir am Anfang nur monatlich erscheinen.“ Zu Beginn wurden 25.000 Exemplare gedruckt. El Público verkaufte zuletzt 80.000 bis 100.000 Exemplare täglich.
Deal mit der sozialistischen Vorgängerregierung
El Público war die Tageszeitung der spanischen Linken. Als der Sozialist José Luis Rodríguez Zapatero im November 2011 verlor, hatten die Investoren kein Interesse mehr an ihrem Blatt und stellten das Erscheinen ein. Der Deal hatte wohl so ausgesehen: Die Eigentümer von El Público leben von Fernsehproduktionen und dem Verkauf von Fernsehrechten. Sie erhielten gute Verträge mit dem staatlichen Fernsehen und den Zuschlag bei Fußballübertragungen, sowie mehrere TV-Lizenzen.
Im Gegenzug entstand El Público als Gegengewicht für die übermächtige El País, die Zapatero – trotz ihrer sozialdemokratischen Orientierung – immer wieder hart kritisierte. Abgesehen vom schonenden Umgang mit Zapatero stand El Público für Journalismus von Unten und griff vor allem soziale Themen auf. Das macht auch La Marea wieder.
In der ersten Nummer geht es um die Zwangsräumungen von Wohnungen, Outsourcing von Arbeitsplätzen, die Privatisierungspläne der konservativen Regierung von Mariano Rajoy und seiner regionalen Gefolgsleute. Außerdem beschäftigt sich die Ausgabe mit der Verflechtung von spanischen Politik und Großunternehmen, so wie die Einflussnahme, die große Anzeigenkunden auf die Inhalte der Tagespresse ausübern.
„Der Zeitpunkt für einen neuen, unabhängigen Journalismus ist günstig“, sagt Deiros. Der Name La Marea – die Flut, der von der Genossenschaftsversammlung nach langen Debatten basisdemokratisch gewählt wurde, kommt nicht von ungefähr. Die Protest von Lehrer, Eltern und Schüler, die seit mehr als einem Jahr gegen Kürzungen und Stellenstreichungen im Bildungssystem auf die Straße gehen, machten ihn populär.
„Die grüne Flut“ nennen sie sich, angelehnt an die Farbe der Schultafeln. Andere folgten. Die Bergarbeiter, die vor der Sommerpause gegen Betriebsstilllegungen auf Madrid marschierten, nannten sich „die schwarze Flut“, die Beschäftigten im Gesundheitswesen, die seit knapp zwei Monaten in Madrid gegen die Privatisierung von Krankenhäusern und Gesundheitszentren mobil machen, „die weiße Flut“.
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