■ Neue Wache: Warlords
Gute Generale gibt es nicht. Kriegshelden, auch wenn sie in Gestalt von antiken Philosophen daherkommen, bilden einen gefährlich verklärenden Mythos, den es schleunigst zu entzaubern gilt. Die Empfehlung des Denkmalbeirats, die beiden Preußengenerale Scharnhorst und Bülow links und rechts der Neuen Wache aus „historischen und ästhetischen“ Gründen wieder aufzustellen, da die alten Haudegen als Reformer in die Geschichte eingegangen sind, geht ins Leere. Sicher, die beiden stehen in der Geschichte besser da als blutrünstige Rambos, die blindwütig ganze Armeen in den Tod schickten.
Doch die sogenannten Reformer in der Zeit der Befreiungskriege waren nicht mehr als kluge Rechner und Taktiker, die rechtzeitig bemerkten, daß mit ein paar Legionären im Heer auf den Schlachtfeldern kein Blumentopf zu gewinnen war, sondern das Volk ans Gewehr gerufen werden mußte. Die Militarisierung des Zivilstandes geht also auf ihre Rechnung. Alle Bürger sind seither Objekte der Kriege. Wie sich dies neben dem Trauerkloß der Kollwitzschen Pietà vertragen soll, muß erst noch erklärt werden.
Auch die ästhetische Komponente hilft wenig, bedeutete doch die Installierung der Plastiken am früheren Standort nur mehr eine nostalgische Sehnsucht nach einem Original – der preußischen Via thriumphalis –, das längst untergegangen ist. Die Aufstellung könnte nach sich ziehen, daß auch die anderen deutschen Warlords aus den Depots heraus- und aus dem Operngarten, wohin die DDR sie verbannte, hervorgeholt werden. Dort stehen sie gut.
Wie sich der Denkmalbeirat vorstellt, die Aufstellung gegen die Kollwitz-Erben durchzusetzen, ist schleierhaft. Außerdem wäre es Wortbruch. Zwischen dem Bund und den Erben existiert eine Verabredung, daß die „Blow-up-Figur“ nur für die Gedenkstätte freigegeben wird, wenn die alte Einheit von Neuer Wache und den Marmorsoldaten von Christian Daniel Rauch nicht wieder hergestellt würde. Der militärische Aspekt überformte sonst die Gedenkstätte. Top. Oder gelten im Nachwende-Berlin diese Interpretationen nichts mehr? Rolf Lautenschläger
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