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Neue Runde bei Verfassungsdiskussion

■ Kongreß der Grünen und des Bündnis 90 für eine neue Verfassung/ Niedersächsischer Minister und FDP ebenfalls dafür/ Genscher fordert Abstimmung über erweiterten Einsatz der Bundeswehr

Berlin (dpa/adn) — Zum Auftakt eines zweitägigen rechtspolitischen Kongresses in Berlin haben sich führende Politiker der Grünen und des Bündnis 90 für die Schaffung einer neuen Verfassung für das vereinte Deutschland ausgesprochen. Dabei müsse eine weitgehende Demokratisierung der Gesellschaft festgelegt werden, sagte die Sprecherin des Bundesvorstands der Grünen, Renate Damus, am Wochenende. Es nütze wenig, wenn das Grundgesetz beispielsweise die Pressefreiheit garantiere, das Grundrecht aber nur von wenigen Großverlagen wahrgenommen werden könnte.

Auch wenn die Gefahr bestehe, daß bei einer Verfassungsänderung beispielsweise das Asylgrundrecht eingeschränkt werden könnte, müßten die Grünen „das Risiko einer Verfassungsdiskussion“ eingehen, meinte Frau Damus. Die Partei müsse immer Vorschläge für eine Verbesserung der Gesellschaft unterbreiten, wenn dies möglich sei. Auch Wolfgang Templin vom Bündnis 90 befürwortete eine „lange öffentliche Verfassungsdiskussion“. Das Grundgesetz sei mit den Problemen, die sich in Gesamtdeutschland ergäben, „überfordert“. Die Fraktionsvorsitzende der Alternativen Liste/Grüne im Berliner Abgeordnetenhaus, Renate Künast, sprach sich für die Einführung von sozialen Grundrechten aus. Der Staat müßte so verpflichtet werden, die Gleichberechtigung der Frau aktiv zu fördern. Dies gelte auch für die Schaffung von Wohnraum.

Eine neue Verfassung für ganz Deutschland als Beitrag politischer und demokratischer Kultur hat am Wochenende auch Niedersachsens Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Jürgen Trittin (Die Grünen), angeregt. Anläßlich der Eröffnung der Tage der Begegnung Nieder-Sachsen-Anhalt in Magdeburg meinte der Minister, das Motto „Wir sind das Volk“ solle aufgenommen und für eben dieses Volk in einer Verfassung direkte Mitspracherechte verankert werden. Trittin nannte mehr Demokratie, Volksentscheide, Volksbegehren, Umweltschutz als Staatsziel, ein gesichertes Recht auf Arbeitsförderung sowie das Selbstbestimmungsrecht der Frau als Punkte, die es in einer gesamtdeutschen Verfassung zu fixieren gelte. Dabei könnte von Vorarbeiten, etwa dem Entwurf des Runden Tisches, gelernt werden. Diese neue Verfassung sollte dem gesamten deutschen Volke zur Zustimmung vorgelegt werden.

Für eine Weiterentwicklung des Grundgesetzes hat sich auch die stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, Irmgard Adam-Schwaetzer, am Wochenende in Stuttgart ausgesprochen. Auf dem Liberalen Jugendtag forderte sie in diesem Zusammenhang die Aufnahme von Elementen der direkten Demokratie in das Grundgesetz, wie zum Beispiel den Volksentscheid. Außerdem verlangte die FDP-Politikerin „Staatszielbestimmungen“ für den Umweltschutz, für das Recht auf Wohnung, auf Ausbildung und auf den Schutz der eigenen Daten.

Genscher meinte, daß die Deutschen in diesem Zusammenhang auch darüber abstimmen sollten, ob Bundeswehrsoldaten künftig an Einsätzen der UN-Friedenstruppen teilnehmen sollten.

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