Neue Regeln für Landesaufträge: Senat nähert sich Manchmal-Mindestlohn

Mindestens 7,50 Euro brutto pro Stunde soll in Zukunft erhalten, wer im Auftrag des Landes und der Bezirke arbeitet - aber auch nur dann. Die Christdemokratie befürchtet einen "Marketing-Gag".

Wachschützer, Zeitarbeiter, Textilreiniger, Gärtner und andere Geringverdiener sollen in Zukunft einen Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde erhalten, wenn sie im Auftrag des Landes Berlin arbeiten. Eine entsprechende Änderung des Ausschreibungs- und Vergabegesetzes hat der Senat am Dienstag auf den Weg gebracht. Es sei "wettbewerbsverzerrend und unakzeptabel", wenn Unternehmen sich mit Dumpinglöhnen gegenseitig unterbieten würden, um an öffentliche Aufträge zu kommen, sagte Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke). In den Branchen, in denen ein Tarifvertrag vom Bund per Gesetz als verbindlich erklärt wurde und der Lohn höher als 7,50 Euro liegt, bleibt es bei dem höheren Lohn.

Der Senat muss alle größeren Aufträge europaweit ausschreiben und dabei den Zuschlag an das Unternehmen geben, das das wirtschaftlichste Angebot einreicht. Dieses Verfahren ist von der Europäischen Union vorgegeben. Bisher hatten die Auftraggeber deshalb kaum eine Handhabe, um soziale Mindeststandards bei der Vergabe der Aufträge zu berücksichtigen. Ein erster Versuch für ein weitergehendes Gesetz scheiterte dann auch vor eineinhalb Jahren vor dem Europäischen Gerichtshof. Doch jetzt glaubt der Senat, einen Weg gefunden zu haben, was mehrere von ihm eingeholte Gutachten bestätigt haben sollen.

Damit der Mindestlohn bei öffentlichen Aufträgen gilt, muss nun noch das Abgeordnetenhaus zustimmen. Da die Regierungskoalition aus SPD und Linken das Vorhaben unterstützt, gilt dies als sicher. Das Gesetz soll auch für die Bezirke gelten und für alle Unternehmen, die vollständig dem Land gehören. Laut Wirtschaftssenator Wolf geht es um ein Auftragsvolumen von 4 bis 5 Milliarden Euro pro Jahr.

Das Vorhaben ist laut Wolf ein "deutliches Zeichen, dass die Koalitionsparteien nicht nur davon reden, soziale Mindeststandards festzulegen, sondern auch da handeln, wo es in ihrer Macht liegt". SPD und Linke treten auch bundesweit für einen Mindestlohn von 7,50 Euro (SPD) beziehungsweise 10 Euro (Linke) ein. Ein vom Bund beschlossener Mindestlohn könnte für alle Arbeitnehmer gelten. Das Land kann dagegen einen Mindestlohn nur für seine eigenen Aufträge beschließen. Ein Wachmann, der vormittags eine Privatfirma bewacht und nachmittags ein Senatsgebäude, verdient also nur am Nachmittag die 7,50 Euro brutto.

Die Auftraggeber sollen in dem Gesetz verpflichtet werden, anhand von Stichproben zu kontrollieren, ob die Unternehmen ihren Arbeitgebern während des Auftrages wirklich 7,50 Euro bezahlen. Wer sich nicht dran hält, soll ein bis fünf Prozent der Auftragssumme als Strafe verlieren und für bis zu drei Jahre von weiteren Aufträgen ausgeschlossen werden können.

Der CDU-Wirtschaftspolitiker Heiko Melzer kritisierte, dass der Gesetzentwurf erst jetzt vom Senat vorgelegt wurde: "Von der Ankündigung bis zur endgültigen Vorlage vergingen wertvolle anderthalb Jahre." Die Nähe zur Bundestagswahl lässt ihn befürchten, "dass das wichtige Gesetz nur als Marketing-Gag missbraucht wird".

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