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Neue Meiler in GroßbritannienRWE und Eon weiter auf Atomkurs

Die deutschen Energieriesen planen eine gemeinsame Tochter für neue Meiler in Großbritannien. Kritiker von Grünen und SPD nennen die Unternehmen unverantwortlich.

Risiken wie Erdbeben oder Atommüll übersehen die deutschen Energieunternehmen. Bild: dpa

BOCHUM taz Trotz Ausstiegsbeschluss der Bundesregierung setzen die Energiekonzerne RWE und Eon weiter auf eine Renaissance der Atomkraft. In Großbritannien wollen beide Firmen über ein Gemeinschaftsunternehmen neue Atomkraftwerke (AKW) bauen: Deren Leistung soll bei mindestens sechs Gigawatt liegen, teilten RWE und Eon am späten Mittwochnachmittag mit.

Derzeit produzieren die beiden Energieriesen in insgesamt 22 Anlagen Atomstrom, in der Bundesrepublik betreiben sie bereits das AKW Emsland und die Blöcke B und C des Kraftwerks Gundremmingen gemeinsam.

Stramm auf Atomkurs bleiben die beiden Konzerne in Skandinavien und Osteuropa. Eon will sich in Finnland mit 34 Prozent an einem neuen AKW beteiligen, das bis 2020 bis zu 2.500 Megawatt Strom liefern soll. Erst im Dezember war RWE mit 49 Prozent beim Bau des bulgarischen Kraftwerks Belene eingestiegen - dabei liegt das mitten in einem Erdbebengebiet. Auf Atomkraft setzt der RWE-Vorstandsvorsitzende Jürgen Großmann auch in Bulgarien und Litauen und begründet dies gerne auch unter Hinweis auf die Gaskrise wie Eon-Chef Wulf Bernotat mit angeblicher Versorgungssicherheit. Außerdem sei Atomstrom klimaneutral, argumentieren die beiden Konzernlenker immer wieder. RWE vertreibt sogar ein entsprechendes Produkt - und ignoriert damit wie Eon auch, das beim Abbau und Transport des Kernbrennstoffs Uran entstehende Kohlendioxid ebenso wie die weiter völlig ungeklärte Endlagerproblematik.

Scharf kritisiert werden Großmann und Bernotat deshalb von Atomkraftgegnern und Umweltschützern wie von SPD und Grünen. "Unverantwortlich" sei der Atomkurs der beiden Manager, sagt nicht nur Heffa Schücking von der Umweltschutzorganisation Urgewald. Angesichts der neuen Risiken durch weitere AKW müsse die Bundesregierung die Rückstellungen, die RWE und Eon für den Rückbau der deutschen Atomanlagen und die Entsorgung des Atommülls gebildet haben, "in einen öffentlichen Fonds überführen", forderte der Greenpeace-Energieexperte Thomas Breuer.

Allein bei RWE geht es dabei um über neun Milliarden Euro. Beide Firmen schröpften Verbraucher mit überhöhten Energiepreisen und transferierten die Gewinne dann ins Ausland, sagt der energiepolitische Sprecher der NRW-Grünen, Reiner Priggen. Nötig sei deshalb, etwa das "Monopol der Eon-Tochter Ruhrgas" zu brechen. Auch der SPD-Landtagsabgeordnete Norbert Römer klagt, die Konzerne investierten nicht in umweltfreundliche Technik im Inland - und schadeten so "massiv dem Energieland NRW".

Umweltschützer wollen den Atomstromproduzenten deshalb Kunden abjagen: Ab März wirbt Urgewald in über 500 Bioläden bundesweit für Ökostrom. "Wir rechnen", sagt Geschäftsführerin Schücking, "mit mindestens 25.000 Stromwechslern."

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10 Kommentare

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  • E
    eco

    I aggree with archimedes, wanja, emil and Bernard here. Besides this one should not forget, that also economy has very much to do with psychology, not only in a financial crisis, but also much more fundamentally refering to what rules of the game we accept.

  • A
    archimedes

    Was Bernhard H. Johannes Wagner hier sagt, ist (leider) richtig. Ich muss zugeben, dass ich selbst den psychologischen Faktor oft unterschätze. Zu Punkt (5.) würde ich vielleicht noch das Adjektiv "human" ergänzen wollen, damit es weniger missverständlich ist, denn z.B. Krieg ist evtl. bei der menschl. Spezies leider auch "natürlich", aber wohl kaum hier gemeint, sondern z.B. dass sich Paare ja sexuell auch ohne Koitus gegenseitig befriedigen können - von Zwangsverheirateten evtl. abgesehen (die aber mit Koitus evtl. noch weniger Spaß am Sex haben und mit Sicherheit kommen daher auch viele Frustrationen und Aggressionen in der Welt - v.a. in Ländern, in denen Zwangsheirat bis heute normal ist - sogar in Mitteleuropa war es ja quasi noch bis hinein ins 20. Jh. verbreitet, wenn auch oft eher subtil, in Form eines Vetorechtes der Eltern, was aber auf dasselbe hinausläuft).

     

    Eine andere Ergänzung, die ich machen würde, ist, darauf hinzuweisen, dass natürlich heute diese Technologien alle mithilfe von Computern entwickelt werden und mit eingebauten Computern laufen, aber das wäre nicht zwangsläufig notwendig, auch wenn dadurch die Geräte etwas weniger effizient wären. Man sollte nicht vergessen, dass sogar die Relativitätstheorien von Einstein (die spezielle und die allgemeine) ohne moderne Computer erfunden & experimentell bestätigt wurde - und viele andere physikalische & chemische Phänomene, die alle andere als trivial sind.

     

    Allein z.B. die südliche Hälfte Somalia würde - wenn es nur ein technisches Problem wäre - ausreichen, um dort mit Sonnenenergie sowohl genügend Meerwasser zu entsalzen, um ganz Somalia zu einem blühenden Garten zu machen, als auch zusätzich noch so viel Wasserstoff zu gewinnen, dass der gesamte Primärenergiebedarf von Europa und Afrika damit gedeckt werden könnte. Da ich gegen zu sehr zentralistisch ausgerichtete Konzepte bin, empfehle ich das nicht als Lösung, aber eine Scheibe davon abzuschneiden, wäre schon lange technisch möglich gewesen und das "fossile" und "atomare" Zeitalter wäre dann heute schon längst überwunden (zumal dann, wenn Wellenkraft, Erdwärme, Wintergarteneffekt bei Gebäuden etc. ebenfalls längst stärker erforscht worden und genutzt worden wären).

     

    Wer diese Tatsachen(!) nicht zugibt, ist entweder unwissend in diesen Dingen oder unaufrichtig, oft meistens beides (zu je variierenden Anteilen). Und sogar Leute sind darunter, die einen akademischen Titel vor sich her tragen.

  • BH
    Bernhard H. Johannes Wagner

    Ergänzung: Um ebenfalls nicht erst gestern (16.01.2009), sondern schon vor mehr als 100 Jahren in Wüsten Afrika, Asiens, Australiens u.s.w. mit solarthermischen Kraftwerken Wasserstoff für Brennstoffzellen etc. zu entwickeln, war ebenfalls nicht primär ein "technisches" Problem, sondern primär eines der Psycholgie: Mentalitäten, richtigen Fragestellungen, Motivationen etc, denn zu "dumm" waren Maxwell, Planck, Mach, Poincaré u.s.w. dazu ja eigentlich nicht und das allermeiste dafür nötige Ausgangs-Wissen stand ihnen damals eigtl. auch schon zur Verfügung (was sie ja auch selbst in verschiedene Richtungen fortgeführt haben).

  • BH
    Bernhard H. Johannes Wagner

    @ Bürger G. und allgemein: Facts about energy policy:

    Nicht erst seit gestern (16.01.2009), sondern seit mehr als 100 Jahren sind im Wesentlichen alle technischen Erkenntnisse vorhanden, um auch in Klimazonen wie Mitteleuropa (erst recht näher am Äquator)

    (1.) Häuser so zu bauen, dass sie weniger als 50% der Menge an Energie (für Heizen etc.) benötigen, als im heutigen Durchschnitt, Stichwort: Energetisch intelligente Bauweise, welche den Gewächshaus-/Wintergarten-Effekt (engl.: Greenhouse ...) ausreichend nutzt + stark wärme-isolierende Jalousien (für kühle/kalte Nächte, für die Fenster).

    (2.) mehr als 100 Tage im Jahr gebündeltes Sonnenlicht (durch Parabolspiegel, Fresnellinsen etc.) für die Wasssererwärmung direkt, sowie zum Antrieb von Sterlingmotoren zu nutzen.

    (3.) Wellenkraftwerke zu bauen, mit denen nahezu 100% des Elektrizitätsbedarfs gedeckt werden könnten.

    (4.) Wüsten zu begrünen, auf denen nachhaltig (nicht in Monokulturen und ohne giftige 'Pestizide') auch Pflanzen für Biodiesel oder dergleichen angebaut werden könnten.

    (5.) natürliche Methoden der Schwangerschaftsvorbeugung, um das Bevölkerungswachstum umzukehren, und damit - unter anderem - auch die Gesamtmenge an Energie gemessen an jeweils gleichem Lebensstandard,

    ... alles seit mehr als 100 Jahren, als z.B. die Photovoltaik und dergleichen noch lange nicht erfunden war.

    also letztlich ist dies nicht primär eine Frage der Technologie, sondern primär der Psychologie (Vorurteile & andere Mentalitätsfragen)*

     

    * - natürlich wechselwirkend mit anderen Faktoren (z.B. wer in einem Bergwerk ausgebeutet wird, wenig Zeit & wenig Bildung hat, denkt auch nicht unbedingt über solche Alternativen nach,

    und wer von Erdöl und Kohle etc. profitiert (hatte), aus z.T. anderen Gründen ebenfalls nicht u.s.w.).

  • W
    wanja

    Fakten zur Energiepolitik: Gestern (15.01.2009) wurde aufgrund der bis heute andauernden, Jahrzehnte langen falschen Weichenstellung der Forschung und Energiepolitik in ganz Europa (gilt auch für andere Kontinente) Unmengen (viele Terawatt) Energie aus Solarenergie, Windenergie, Meeresenergie (Wellenenergie etc.), Erdwärme etc. nicht genutzt. Stattdessen Unmengen klimaschädlicher Gase, Ruß und Quecksilber, Wasserdampf und ungenutzte Abwärme (auch aus AKW!) in Flüsse und die Atmosphäre emittiert, sowie radioaktiver Müll produziert und mit jedem AKW Millionen Menschen diversen GAU Risiken ausgesetzt.

     

    Höchste Zeit, dass sich das schneller ändert, als bisher.

  • BG
    Bürger G.

    Fakten zur Windenergie: Gestern (15.01.2009) produzierten alle Windrädchen in der BRD gerademal 35188 MWh Strom! eine Effizienz von hammermäßigen 6,7%!!!! und das bei -15 °C ! Danke fürs Gespräch!

  • W
    wanja

    Der Kommentar am 15.01.2009 19:42 Uhr erinnert mich sehr an die Tatsache, dass viele Menschen z.B., deshalb lachen

    (a) weil sie etwas nicht ernstnehmen wollen (evtl. ein Argument, dem sie nicht zustimmen wollen, zu dem sie aber keine rational überzeugenden Gegenargumente wissen, und/oder

    (b) weil sie etwas nicht verstanden haben - ggf. weil sie es nicht verstehen wollen, dann ähnlicher Fall wie (a).

  • BG
    Bürger G.

    "Beide Firmen schröpften Verbraucher mit überhöhten Energiepreisen und transferierten die Gewinne dann ins Ausland, sagt der energiepolitische Sprecher der NRW-Grünen, Reiner Priggen." Hier in Deutschland dürfen die Konzerne doch auch nichts investieren, weil eben GRÜNE und zahlreiche Gutmenschen-Vereine gegen alles sturmlaufen! Dann profitieren eben die Bürger Englands, Bulgariens, Litauens etc.

     

    Danke Liebe Grünen und Gutmenschen! ;-)

     

    @emil: Deine "spitzen" Vorschläge bringen mich echt immer zum lachen! mach weiter so ;-)

  • E
    emil

    Zu meinem Hinweis vorhin auf Wasserstoff aus Australien u.s.w.

    natürlich können damit nicht nur bikes fahren, z.B. auch Straßenbahnen, was z.B. Oberleitungen unnötig machen würde (und mehr Straßenbahnen verringern auch das schädliche Cadmium aus dem Reifenabrieb der Busse und Autos).

  • E
    emil

    Die großen Energiekonzerne missbrauchen seit sie existieren ihre Oligopol-Stellung zum Nachteil des Allgmeinwohls.

     

    Sie sollten endlich direkt der Kontrolle aller freiheitlich demokratisch gewählten Parlamente - die wir doch zumindest in der EU einigermaßen haben, oder? - unterstellt, nämlich verstaatlicht werden.

     

    Britische Häuser sollten schnellstens als Passivhäuser saniert werden. Großbritannien könnte dann so ziemlich den gesamten Strom- und Wärmebedarf aus Wind- und Wellenkraft gewinnen (mit Wave Dragon Anlagen u.a.).

     

    Außerdem könnte Australien, dessen Staatsoberhaupt bekanntlich die Queen(!) ist, in einem Bruchteil seiner Wüsten mithilfe von solar concentrated power mehr Wasserstoff herstellen, als die britischen Inseln heute an Strom verbrauchen

     

    - was natürlich alles nicht geht, wenn die Oligopolhalter an solchen Dingen kein dringendes Interesse haben, sondern nur so weit, wie sie ihre anderen Kraftwerke schön weiter betreiben können und die politischen Vertreter (mitsamt ihrer Wahlbevölkerung) darauf hereinfallen oder sogar mit involviert sind (als Aktionäre, Abhängige von Spendengeldern etc.).