Neue Konzepte für die Innenstadt: "Schimpfen können alle"
Monatelang konnten Bürger am Innenstadtkonzept mitarbeiten. Henning Scherler war dabei und will krasse Planungsfehler korrigieren. Nicht ganz leicht, wie sich herausstellte.
taz: Herr Scherler, die Stadt will die Innenstadt mit mehr Leben und Menschen füllen und Sie haben sich bei der Weiterentwicklung des Innenstadtkonzepts beteiligt. Wieso das?
Henning Scherler: Das hatte einen konkreten Anlass: Meine Frau und ich wohnen seit 17 Jahren am Hopfenmarkt. Hier stehen rund 60 Linden, das ist das einzige kleine Waldgebiet in der Innenstadt. Die Idee des Innenstadtkonzepts von 2010 ist, unter dem Hopfenmarkt eine Tiefgarage zu bauen. Dafür müssten die Bäume abgeholzt werden. Das wäre gruselig.
Die Idee ist, die drei Parkhäuser in der Innenstadt abzureißen oder umzunutzen, um Autos aus dem Stadtbild zu entfernen.
Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau sagt, sie will den Verkehr in der Innenstadt minimieren, aber dann weiß ich nicht, wieso man Tiefgaragen bauen muss. Denn man will ja gleichzeitig den öffentlichen Raum beleben, das funktioniert aber nicht dadurch, dass ein bestehender Platz kahl geräumt wird.
Haben sich denn viele Anwohner beteiligt?
65, Pensionär, lebt seit 17 Jahren in der Altstadt am Hopfenmarkt. Er ist Sprecher der Werkstatt "Wohnen und Versorgung", die sich mit dem Innenstadtkonzept befasst.
Die meisten waren Experten – Architekten oder Stadtplaner. Bewohner waren die Ausnahme, für viele ist ein so großes Projekt zu abstrakt. Schimpfen können alle, aber mitmachen möchten viele nicht. Dazu kommt, dass gerade die Altstadt mit ihren 1.700 Bewohnern nicht identitätsstiftend ist, wie beispielsweise Eidelstedt, wo gerade ein Einkaufszentrum verhindert wurde. Hier leben die Leute versprengt und das verbindende Element fehlt.
Wo unterscheiden sich Vorstellungen von Bürgern und Stadt?
Die Basis für die Bürgerbeteiligung ist das Innenstadtkonzept von 2010 und im ersten Entwurf nahm beispielsweise die Hafencity viel Raum ein. Gerade die haben wir aber weitgehend ausgeklammert, denn dort kann die Stadt ja alles machen. Problematisch wird es im bebauten Gebiet, also in Altstadt und in Neustadt, dort muss man kreativ werden.
Wie?
Ein großes Thema ist die Umwandlung von Bürogebäuden, wie es mit dem Gebäude des ehemaligen Germanischen Lloyds passiert. Der Besitzer hat keinen Investor gefunden und baut das Gebäude nun zu Wohnungen um. Und wenn es das Baurecht nicht zulässt, sollte man die Gebäude abreißen und neu bauen.
Was sollte verschwinden?
Die vier City-Hochhäuser unweit des Bahnhofs. Wir wünschen uns, dass die durch eine gemischte Bebauung ersetzt werden. Das würde Wohnraum und eine gute Verbindung zwischen Bahnhof und Hafencity schaffen. Was die Stadt nicht braucht, sind Lofts auf Bürogebäuden. Ich muss nur aus dem Fenster schauen, um zu wissen, dass das hässlich ist – und hochpreisig. Das belebt die Innenstadt nicht.
Warum ist es wichtig, dass hier mehr Menschen wohnen?
Sehen Sie, vor dem Zweiten Weltkrieg wohnten hier 65.000 Menschen, nach dem Krieg noch etwa 14.000. Hier wurden also krasse planerische Fehler begangen, die man jetzt korrigieren muss. Denn momentan ist die Innenstadt nach 20 Uhr absolut tot.
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