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Neue IOC-PräsidentinTypisch olympisch

Das IOC wird in den nächsten acht Jahren von einer Frau geführt. Die Ex-Schwimmerin Kirsty Coventry aus Simbabwe steht nicht gerade für Innovationen.

Große Freude: Kirsty Coventry bei der Pressekonfewrenz nach ihrer Wahl zur IOC-Präsidentin Foto: Louisa Gouliamaki/reuters

Berlin taz | Es war ein wahrhaft olympischer Sieg. Einer, der jede Menge Superlative lieferte. „First ever“ ist einer jener bei olympischen Siegerehrungen beliebten Begriffe. Auch „youngest ever“ wird gerne genommen. Nach der Wahl zur 10. Präsidentin des Internationalen Olympischen Komitees durch die IOC-Vollversammlung am Donnerstagnachmittag im griechischen Nobelresort ließen sich beide Ausdrücke anbringen.

Die erfolgreiche Kirsty Coventry aus Simbabwe ist die erste Frau an der Spitze des IOC, sie ist die erste Person aus Afrika, die den Verband führt, und mit 41 Jahren ist sie auf diesem Posten die jüngste aller Zeiten. Ach ja, die erste Mutter im Amt ist sie auch noch. Zwei Kinder hat sie mit ihrem Mann Tyrone Seward. Gegen sechs Kandidaten hat sie sich gleich im ersten Wahlgang durchgesetzt und mehr als die Hälfte der Stimmen hinter sich gebracht. 49 waren es. Hätte sie auch nur eine Stimme weniger erhalten, ein zweiter Wahlgang wäre nötig gewesen. Im Juni tritt sie die Nachfolge von Thomas Bach an, der das Amt nach zwei Amtszeiten satzungsgemäß niederzulegen hat.

Und doch bleibt der spröde Deutsche, der nicht nur ein begabter Fechter, sondern zeit seines Funktionärslebens ein begnadeter Strippenzieher war, der Olympischen Bewegung erhalten. Denn mit Coventry hat die Kandidatin gewonnen, die mit seinem besonderen Segen ausgestattet in das Präsidentinnenrennen geschickt wurde. Während die anderen Kandidaten mit Reform­ideen die olympische Idee auffrischen wollten, steht Coventry für ein gepflegtes Weiter-so.

Die meisten Mitglieder scheinen recht zufrieden zu sein mit der Situation des IOC

Sebastian Coe, der Präsident von World Athletics, dem internationalen Leicht­athletikverband, der vor der Wahl als einer der Favoriten gehandelt wurde, wollte das IOC öffnen. Abstimmungen, die im kleinen Kreis des Exekutivkommitees getroffen werden, sollten für die Versammlung der Mitglieder geöffnet werden. Und er stand dafür, den Besten bei Olympia einen Teil der immensen Einnahmen aus Sponsoring und TV-Rechte­vergabe zukommen zu lassen.

Ein anderer Mitfavorit, der Spanier Juan Antonio Samaranch jr., dessen Vater auch schon IOC-Präsident war, wollte Olympia für Investoren öffnen und er hatte die Geschäftsidee, den olympischen Sport mit Private-Equity-Kapital neu aufzustellen. Sie sind beide krachend gescheitert. Der Großteil der Mitglieder scheint also recht glücklich zu sein mit all dem, wofür das IOC unter Bach stand.

Leichte Öffnungstenzenzen

Aber was ist mit den Ideen der Gegenkandidaten? Das werde man erörtern, meinte Coventry. Arbeitsgruppen sollten das diskutieren. Dann werde man schon sehen. Was man eben sagt, wenn man nichts sagen möchte. Eines immerhin hat sie angekündigt. Wie Coe es vorgeschlagen hatte, möchte sie künftig auch wieder die IOC-Mitglieder über die Ausrichter Olympischer Spiele entscheiden lassen. Der Kampf um die Gastgeberrolle bei Olympia soll damit raus aus den Hinterzimmern und Expertenrunden.

Steht Coventry also für eine neue Transparenz bei Olympia? Mehrere Male bedankte sie sich bei ihrem Team für die „unglaubliche Arbeit“, die in den vergangenen sechs Monaten des Wahlkampfs geleistet worden sei. Welche PR-Berater oder Funktionärsumschmeichler ihr ins Amt geholfen haben, wollte sie nicht preisgeben. Und als sie gefragt wurde, ob es einen Staatschef gegeben habe, der ihr nach der Abstimmung gratulierte, wehrte sie ab und behauptete, gerade eben erst ihr Handy in die Hand genommen zu haben. Später erzählte sie dann vom Freudenschrei ihrer Tochter am Telefon nach der Wahl. Ein wenig muss sie also noch lernen, wie man redet und doch nichts sagt.

Ihr Vorgänger Thomas Bach war ein Meister in dieser Disziplin. Der verstand es zudem, seine Rolle als Olympionik – er hatte 1976 in Montreal Gold im Fechten gewonnen – immer wieder ins Feld zu führen, wenn er davon sprach, dass es doch die Sportler seien, die im Zentrum von Olympia zu stehen haben. Auch Coventry ist Olympiasiegerin. Zwei Goldmedaillen hat die einstige Rückenschwimmerin gewonnen, eine in Athen 2004 und eine in Peking 2008. Schnell war sie auch, als es galt, nach der Karriere in die Funktionärsriege aufzurücken, erst als Athletenvertreterin im IOC, dann als Mitglied der IOC-Exekutive, der sie seit 2023 angehört.

Frisches Geld

Die hat gerade einen neuen TV-Vertrag mit dem US-Sender NBC präsentiert. 3 Milliarden US-Dollar zahlt das Medienunternehmen für die Übertragungsrechte im Fernsehen und auf allen anderen Plattformen im Netz bis zu den Spielen 2036. Zudem konnte die Olympische Regierung, bestehend aus den 14 Mitgliedern des Exekutivkomitees, den Vertrag mit dem Versicherungskonzern Allianz als Top-Sponsor bis 2032 verlängern. Gut möglich, dass etliche Olympier dies Coventry gutgeschrieben haben. Sie war vor der Abstimmung ja auch nicht müde geworden, auf die Erfolge des IOC zu verweisen.

Jetzt möchte sie den „Weg weitergehen“, wie sie nach ihrer Ausrufung als Präsidentin der Presse gegenüber meinte. Sie sagte, was eine Sportlerin eben sagt, wenn sie nach einem Erfolg vor die Mikros tritt. „Ein wenig surreal“ fühle sich der Erfolg an, fast so wie bei ihrem ersten Olympiasieg 2004. Aber eines war ihr durchaus wichtig: Ein „machtvolles Signal“ sei es, dass nun eine Frau an der Spitze des Weltsports steht, sagte sie. Das zeige, „dass wir uns zu einer wahrhaft offenen und diversen Organisation gewandelt haben“. Auch diesen Weg wolle sie weitergehen in den acht Jahren ihrer Amtszeit.

Wie so etwas wohl bei US-Präsident Donald Trump ankommt? Der Mann, für den das Wort Diversity aus der Werkstatt der woken Hölle stammt, wird, wenn die Geschichte nicht noch eine große Überraschung parat hat, die Olympischen Sommerspiele 2028 in Los Angeles eröffnen. Bei den Entscheidungen seines Oligarchenregimes könnte die Vergabe für Visa an Athletinnen zum Willkürakt verkommen.

„Ich hatte viel zu tun mit, nun ja, schwierigen Männern in mächtigen Positionen“, sagte Coventry, auf Trump angesprochen. In der Tat, als sie Olympia­siegerin wurde, herrschte noch Diktator Robert Mugabe in ihrem gespaltenen Heimatland und derzeit dient sie unter dem auch nicht gerade als Superdemokrat bekannten Emmerson Mnangagwa als Sportministerin Simbabwes. Sie wird also schon keinen Bammel vor einem Treffen mit Donald Trump haben. Doch ein wenig naiv hörte sich das schon an, als sie meinte, es werde schon alles gut gehen in LA, schließlich sei Trump als Sportfan bekannt.

Trans Athletinnen wird der US-Präsident, der sich in der Auseinandersetzung um das Geschlecht der algerischen Boxerin Imane Khelif bei den Spielen in Paris 2024 als selbsternannter Beschützer des Frauensports inszenierte, wohl kaum anfeuern wollen. Das Thema möchte Coventry vor den Spielen in LA jedenfalls noch abräumen. Bis jetzt sind die einzelnen Sportverbände für die Regelungen in diesem Bereich zuständig. Nun sollen sie vereinheitlicht werden. Wie das gehen soll? Indem eine Arbeitsgruppe gegründet wird, wie sie meinte.

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2 Kommentare

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  • Ja nun Erfahrung in korrupten Systemen hat Frau Coventry nun zur Genüge. Und ich bezweifle mal das sich viele Afrikaner von einer weißen und privilegiert aufgewachsenen Frau repräsentiert fühlen.

  • Klassiker. Wen wählen die alten weißen Männer, um endlich nicht nur eine Frau, sondern eine Afrikanerin als Chef zu haben? Eine weiße Frau aus weißen Minderheit (5%) in Zim. Als gäbe es keine Afrikanerin ohne europäische Herkunft, die den Job machen könnte....