Neue Erklärung der Linkspartei: Gysis Anti-Anti-Antisemitismus
Nach einer ersten Antisemitismuserklärung hat Linkspartei-Fraktionschef Gregor Gysi nun eine zweite formuliert. Damit will er die enttäuschten Parteilinken einfangen.
BERLIN taz | In der Linkspartei geht die Debatte um Israel-Kritik und Antisemitismus weiter. In der Fraktion sollte am Dienstag ein zweiter Beschluss zu dem Thema verabschiedet werden. Fraktionchef Gregor Gysi hatte diese zweite Erklärung im Interview mit der taz bereits angekündigt.
Anfang Juni hatte Gysi in der Fraktion einen Text durchgedrückt, der einstimmig angenommen wurde. Dieser Text sollte verbindlich die Grenzen der Israel-Kritik markieren. Die Linksparlamentarier sollen demnach auf drei Nein - zu der Gaza Flottille, zum Boykott israelischer Waren und einer Ein-Staaten-Lösung - festlegen werden. Der linke Flügel redete, obwohl weitgehend beim einstimmigen Ja in der Fraktion anwesend, rasch von einem "Maulkorbbeschluss".
Der Parteilinke Andrej Hunko schrieb in einem Facebook-Eintrag, dass "Gysi der Arsch auf Grundeis geht, weil der rechte Flügel mit Spaltung der Partei droht." Die Rechten, so Hunko, würden mit dem Israel-Beschluss die Partei "auf SPD-Grüne-Linie schießen" und 2013 eine "Regierungsbeteiligung um jeden Preis durchzusetzen."
Annette Groth, die letztes Jahr an der Gaza-Flottille teilgenommen hatte, urteilte dass dieser Beschluss die internationale Solidarität "in beschämender Weise aufkündigt". Die Pragmatiker, die Gysis Initative unterstützen, kritisierten vor allem diesen Stil. Inhaltlich hatte in der Fraktionssitzung Gysi niemand vom linken Flügel widersprochen - doch danach hagelte es Unterstellungen.
"Antisemitismus inflationär verwendet"
Der zweite Text, der am Dienstag auf Gysis Initative verabschiedet werden sollte, verwahrt sich nun gegen die Diffamierung von Israel-Kritik als antisemitisch. Beobachter vermuten darin eine Konzession an den linken Flügel - Gysi selbst hält den zweiten Text für eine nötige Klarstellung gegen eine "inflationäre Verwendung des Begriffs des Antisemitismus".
In dem Papier heißt es: "Es ist nicht hinnehmbar, wenn einer Kritik an der Politik der israelischen Regierung mit dem Vorwurf des Antisemitismus begegnet wird. Wir werden nicht zulassen, dass Mitglieder unserer Fraktion und Partei öffentlich als Antisemiten denunziert werden, nur weil sie die Politik der israelischen Regierung kritisieren." Die Linkspartei werde weiterhin die Blockade des Gaza-Streifens, Verletzung der Menschenrechte und die israelische Siedlungspolitik kritisieren.
Die Debatte stand bei am Dienstagabend noch aus, die Annahme des zweiten Beschlusses in dieser oder der nächsten Sitzung gilt indes als wahrscheinlich. Raju Sharma, Schatzmeister der Linkspartei und Bundestagsabgeordneter, wollte diesem Beschluss nicht zustimmen. "Dieser Text ist offenkundig eine Relativierung des ersten Beschlusses", so Sharma zur taz. Gysis Versuch, die überbordende Israel-Kritik in der Linkspartei einzuhegen sei damit "missglückt". Dies zeige auch Annette Groths Aufruf, an der diesjährigen Gaza-Flottille teilzunehmen. Das Verhältnis der beiden Lager war noch nie so angespannt wie derzeit.
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