Neue Erbschaftssteuer: Das Elternhaus bleibt unbelastet
Nach langwieriger Debatte haben sich Union und SPD geeinigt: Ehepartner und Kinder, die im vererbten Haus wohnen, werden nicht belangt. Auch Unternehmenserben kommen besser weg.
FREIBURG taz Viele werden künftig von der Erbschaftsteuer verschont, aber nicht alle. Die Steuerpflichtigen werden neidvoll auf die Geschonten schauen und das neue Gesetz bald wieder in Karlsruhe zur Prüfung vorlegen.
Erst vor rund zwei Jahren hat das Bundesverfassungsgericht eine Neuregelung verlangt, weil bis dahin der Wert von vererbten Immobilien und Unternehmen zu niedrig angesetzt wurde. Dies habe die Erben von Geldvermögen benachteiligt, so Karlsruhe. Künftig müssen daher im Erbfall alle Vermögensgegenstände mit dem Verkehrswert angesetzt werden. Allerdings kann der Gesetzgeber aus Gründen des Gemeinwohls bei der Steuerpflicht Differenzierungen vornehmen. Konkrete Vorgaben hat Karlsruhe hier nicht gemacht.
So wird das Gericht auch kaum beanstanden, wenn der Gesetzgeber jetzt Unternehmen bei der Erbschaftsteuer stark privilegiert, um Arbeitsplätze zu schützen. Auch die Sonderregeln für Mietshäuser können mit den Interessen der Wohnungswirtschaft gerechtfertigt werden. Für Karlsruhe war nur wichtig, dass die Privilegierung transparent erfolgt.
Probleme gibt es im neuen Erbschaftsteuerrecht eher mit den Karlsruher Vorgaben zur Wertfeststellung. Denn obwohl Karlsruhe eine relativ strikte Orientierung am Verkaufswert forderte, arbeitet der Gesetzentwurf oft mit einem Ertragswert. Bei einer Anhörung des Bundestags sahen Experten wie der Rechtsprofessor Joachim Wieland vor allem bei Feldern und Wäldern die Gefahr, dass sie viel zu niedrig bewertet werden. Auch bei Mietshäusern und Unternehmen nehme der Gesetzentwurf die Ermittlung "unrichtiger" Werte in Kauf.
Dagegen dürften die hohen Freibeträge für Ehegatten und Kinder in Karlsruhe akzeptiert werden. Schon 1995 hat das Gericht in seinem Beschluss zur Vermögensteuer festgestellt, dass das Vermögen, "das der persönlichen Lebensgestaltung dient", steuerfrei bleiben muss. Dabei liege es nahe, dass sich der Gesetzgeber "an den Werten durchschnittlicher Einfamilienhäuser orientiert". Die Einbeziehung teurer Villen dürfte dabei wohl nicht verboten sein. Denn nicht alles was politisch ärgerlich ist, ist auch verfassungswidrig.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden