Neubau auf dem Feld: Wettrennen um Tempelhof
Stadtentwicklungssenator Müller stellt Bebauungspläne für das Flugfeld vor – die Hälfte sollen Sozialwohnungen werden. Samstag startet das Volksbegehren für das freie Feld.
![](https://taz.de/picture/144458/14/thf_thf.jpg)
Wenn das mal kein Zufall war: Zwei Tage vor Beginn des Volksbegehrens „100% Tempelhofer Feld“ hat Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) am Donnerstag die Pläne für die Bebauung der Randflächen am ehemaligen Flughafen vorgestellt. „Wir wissen um den Wert der Freifläche“, versicherte Müller im Restaurant des denkmalgeschützten Abfertigungsgebäudes. „Aber wir müssen uns auch dem Thema Wohnungsbau stellen.“ Insgesamt sollen auf dem Feld 4.200 Wohnungen entstehen, 1.700 davon am Tempelhofer Damm, wo die Bebauung 2016 starten soll. 230 Hektar des 300 Hekar großen Feldes sollen Müller zufolge als Grün- und Freifläche erhalten bleiben.
Vorbehalte in Neukölln
Gegen eine solche Bebauung gibt es vor allem in Neukölln Vorbehalte, wo viele Bewohner den Bau von teuren Wohnungen und infolge dessen steigende Mieten fürchten. Doch Luxuswohnungen soll es mit ihm nicht geben, betonte Müller. „Wir wollen auf dem Tempelhofer Feld zeigen, dass es auch möglich ist, in der Innenstadt bezahlbaren Wohnraum zu bauen“, so der Senator.
Nicht nur Sport- und Erholungsfläche ist das Tempelhofer Feld, sondern auch Veranstaltungsort. Zuletzt gaben die Toten Hosen und die Ärzte Konzerte auf der "Tempelhofer Freiheit". Wird das auch nach einer Wohnbebauung möglich sein? "Der Lärm betrifft nicht nur die neuen Wohnungen, sondern die ganze Umgebung", sagt Degewo-Chef Frank Bielka. "Selbst in Britz, wo ich wohne, höre ich, wenn da ein Konzert ist." Jeder, der aufs Feld ziehe, wisse was da stattfinden könne. Das gilt auch für die Käufer von Eigentumswohnungen, die in der Vergangenheit zahlreiche Klubs in Prenzlauer Berg verklagt hatten. (wera)
Mit den Wohnungsbaugesellschaften Degewo und Stadt und Land sowie der Wohnungsbaugenossenschaft Ideal hat Müller deshalb am Donnerstag einen „Letter of intent“, eine Absichtserklärung, unterzeichnet. Demnach soll die Hälfte der neuen Wohnungen zu einem Preis von sechs bis acht Euro pro Quadratmeter zuzüglich Betriebs- und Heizkosten vermietet werden.
„Wir werden diese Wohnungen vor allem an Wohnungssuchende mit einem Wohnberechtigungsschein vermieten“, sagte Stadt-und-Land-Geschäftsführer Ingo Malter. Allerdings gilt diese Vereinbarung zunächst nur für den ersten Bauabschnitt am Tempelhofer Damm.
Bereits am Montag vergangener Woche hatte Müller den Startschuss für vier Bebauungspläne auf dem Feld gegeben. Sie betreffen die Baufelder am Tempelhofer Damm, entlang der S-Bahn an der Oberlandstraße sowie die Oderstraße in Neukölln. Ein vierter „B-Plan“ soll die neuen Sportplätze sichern, die im Südosten des Geländes entstehen sollen. „Wir wollen die B-Pläne 2015 fertig haben, 2016 soll dann am Tempelhofer Damm mit dem Bau begonnen werden“, kündigte Müller an. Er versicherte: „Solange das Volksbegehren läuft, wird kein Bagger rollen.“
Über den Grundstückspreis konnten die Beteiligten noch keine Auskunft geben. „Der Verkehrswert wird derzeit ermittelt“, sagte Ingo Malter. Mit den Erlösen für die Grundstücke wird der Senat dann die Erschließung des Geländes vornehmen. Allerdings sei eine Miete von sechs bis acht Euro nettokalt nur möglich, wenn es neben dem Verzicht auf ein Höchstgebotverfahren auch Zuschüsse aus einem Wohnungsbaufonds gebe, betonten Müller und die drei Bauherren. Über einen solchen Fonds in Höhe von 320 Millionen Euro wird im Senat derzeit verhandelt.
Die Initiative „100% Tempelhofer Feld“ wollte den Ankündigungen Müllers nicht recht Glauben schenken. „Wenn es am Tempelhofer Damm preiswerte Wohnungen geben soll, heißt das noch lange nicht, dass das auf der Neuköllner Seite auch so sein wird“, kritisierte Sprecher Felix Herzog.
Ab Samstag wird die Initiative mit der Kampagne gegen die Bebauung beginnen. „Wir brauchen 200.000 Unterschriften“, sagte Herzog. Im kommenden Mai könnte es dann zusammen mit der Europawahl zum Volksentscheid kommen. Es wäre schon der zweite, der sich um Tempelhof dreht: Den ersten Entscheid verloren die Befürworter einer Offenhaltung des Flughafens. Seitdem ist das Flugfeld eine Attraktion für Erholungssuchende.
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