piwik no script img

Neuauflage von NS-Zeitungen"Unbeanstandet nachgedruckt"

Der Beirat des Projekts "Zeitungszeugen" kritisiert, dass Bayern den Neudruck von NS-Zeitungen gestoppt hat. So gerate das ganze Geschichts-Projekt in Gefahr.

"Es geht ja gerade darum, das ganze Spektrum zu zeigen." Bild: dpa
Interview von Steffen Grimberg

taz: Frau Toepser-Ziegert, in Deutschland werden wieder Zeitungen beschlagnahmt - wenn auch Nachdrucke des Völkischen Beobachters aus der NS-Zeit und formal aus Urheberrechtsgründen. Haben Sie als Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von Zeitungszeugen mit so etwas gerechnet?

Gabriele Toepser-Ziegert: Ich bin immer noch total überrascht und hätte nie mit so heftigen juristischen Schritten gerechnet. In Österreich gibt es das Projekt schon seit 2008, es heißt dort Nachrichten. Dort ist auch die Wiener Ausgabe des Völkischen Beobachters unbeanstandet nachgedruckt worden. Deswegen ist es so unverständlich, dass sich Bayern erst jetzt gemeldet hat.

Woran liegts?

Ich glaube, hier geht es um eine Generationenfrage: Es gab zu Anfang des Projekts Marktstudien, die eins gezeigt haben: Je älter die Befragten waren, desto kritischer standen sie Zeitungszeugen gegenüber, Männer eher als Frauen.

Aber wird die Urheberrechtsfrage nicht nur vorgeschoben, um ein politisches Ziel durchzudrücken?

Ich glaube, es wird jetzt versucht, das Projekt zum Scheitern zu bringen. Man möchte diese Zeit ausblenden, nicht dran rühren, weil es unangenehm ist. Aber heute kann und muss anders damit umgegangen werden, und man sieht das ja auch am Interesse der nachfolgenden Generationen - die zudem auch ein Anrecht darauf haben, sich informieren zu können.

Kritiker werfen Zeitungszeugen vor, das mitgelieferte wissenschaftliche Material sei nicht ausreichend.

Das kann man so sehen - und man könnte sicherlich mehr machen, aber das ist immer auch eine finanzielle Frage. Wir sind nicht die Herausgeber. Der wissenschaftliche Beirat ist dazu da, Hilfestellung zu leisten, wenn unser Rat gefragt wird. Die Auswahl der Zeitungen liegt bei der Chefredaktion, wenn es dort Fragen gibt, kommen wir ins Spiel.

Für den Zentralrat der Juden ist das Projekt "Kopiervorlage für Nachwuchsnazis".

Wenn ich eine Neonazi-Einstellung habe, brauche ich doch nicht diese Zeitungen dafür. Man sollte das niedriger hängen, dann kann sich jeder informieren, was für abstoßender, menschenverachtender Unsinn in den NS-Zeitungen steht.

Wie sehen Sie nun die Zukunft von Zeitungszeugen

Wenn man auf die NS-Zeitungen verzichten müsste, käme das gesamte Projekt in Schieflage: Es geht ja gerade darum, das ganze Spektrum zu zeigen.

www.zeitungszeugen.de

www.nach-richten.at

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!