: Neu im Kino
Wie sieht das revolutionäre Subjekt aus? Beim ukrainischen Dokumentarfilmer Sergei Loznitsa ist es eine Menge. Das erste Bild von „Maidan“ zeigt eine dichte Menschenmenge auf dem Platz in Kiew, in der die Männer ihre Kopfbedeckungen abgenommen haben, um die martialisch-poetische ukrainische Nationalhymne zu singen. Man kann dieses Bild betrachten wie ein Gemälde, Durch Statik und Dauer aber verweigert es sich allen subjektiven Regungen – Loznitsa will die Heldengeschichte einer Gesellschaft erzählen, die sich zur Revolution gegen ihre korrupte Führung entschließt. „Maidan“ besteht aus hundert solcher festen Einstellungen, die auch die Seitengassen des Protests erkundet, die Logistik von riesigen Borschtsch-Tonnen. Erkennbar wird die merkwürdige geordnete Betriebsamkeit, mit der sich die Menschen durch die zunehmende Unordnung von Barrikaden bewegen. Revolution ist, wenn jeder weiß, was zu tun ist. Doch man sieht in „Maidan“ auch Menschen sterben. Was einen daran erinnert, wenn zudem vom Ende des Films bis heute nichts wirklich gelöst ist, wie friedlich und geordnet 1989 hierzulande abgelaufen ist.
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