■ Neu im Kino 46: Blutleere Antigone
Neu im Kino 46
Blutleere Antigone
Die schöne und mutige junge Antigone, Ödipus' vom Fluch verfolgte Tochter, die sich gegen König Kreon auflehnt und das mit ihrem Leben bezahlt, sie ist eine hohle Nuß in diesem Film. Und nicht nur sie, auch ihre ängstliche Schwester Ismene und der herrschsüchtige Kreon, der verliebte Kreonssohn Hämon und alle anderen Personen aus Sophokles großartiger Tragödie „Antigone“ bleiben blutleer bis zur Lächerlichkeit. Sie sind dazu verflucht, in der minimalistischen Antigone-Verfilmung von Danièle Huillet und Jean-Marie Straub aufzutreten.
Die beiden FilmemacherInnen haben sich den weitgehenden Verzicht auf filmische und theatralische Mittel zum Programm gemacht. Sie vertrauen auf Sprache pur, auf Landschaft pur, auf Gesichter pur. Als ihr Film 1991 anlief, haben sie damit viel Aufsehens gemacht und durchaus Lorbeeren und höchste Anerkennung geerntet. Hin und wieder bringt ein kommunales Kino den Film in sein Programm, wie jetzt das Kino 46.
So stehen also Antigone und Schwester Ismene in griechischer Landschaft bewegungslos und ohne Blickkontakt nebeneinander, während Antigone mit betonungsloser Stimme und grausamen Pausen nach jedem Zeilensprung ihre Schwester um Hilfe bittet, damit der gefallene Bruder gegen das Gebot von König Kreon beerdigt werden kann. Ismene hat lange rote Haare und sehr weiße Haut unter dem starren Auge der Kamera, Antigone sieht mit ihrem Dutt aus wie eine süddeutsche Bauerstochter. Sie sagt so wunderschöne Sätze wie: „Zum Hasse nicht, zur Liebe leb' ich“ — Oder: „Die mit den Worten liebt, die mag ich nicht“ — und doch läßt es einen kalt, wenn sie zum Schluß knallhart der Staatsräson geopfert wird.
Es gibt FreundInnen dieser Art von Nicht-Film, sie liebten schon den „Empedokles“, genau nach demselben Muster gestrickt. Die werden nicht einschlafen in den bequemen Kinosesseln, am Fr. oder Sa. um 20.30 oder am Mo. um 18.30 u. 20.30.
CoK
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