Netzsperren durch ACTA: Europas Provider wollen sich wehren
Quasi durch die Hintertür sollen Netzsperren für Dateitauscher eingerichtet werden - über das Handelsabkommen ACTA. Die europäischen Internet-Anbieter schlagen Alarm.
Der Druck auf die Internet-Nutzer wächst: Während es bis vor kurzem noch so aussah, als würde das europäische Parlament radikale Strafmaßnahmen gegen Filesharer gänzlich verbieten, wurde der Eingriff in die Grundrechte der Informationsversorgung mit Auflagen im vom EU-Parlament beschlossenen so genannten Telekom-Paket nun doch erlaubt.
Auf nationaler Ebene sind Frankreich und Großbritannien die ersten EU-Länder, die Three- oder gar nur Two-Strikes-Regelungen einführen wollen: Wird ein Nutzer mehrmals beim illegalen Down- oder Upload erwischt, soll ihm in einem Schnellverfahren der Internet-Zugang komplett gesperrt werden - mit eher eingeschränkten Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren.
In EU-Ländern, in denen die Regierungen bislang noch keine solchen Maßnahmen zur Stützung der angeschlagenen Medienindustrie planen, könnten die Netzsperren nun durch die Hintertür kommen, warnt der Verband der europäischen Internet-Provider, EuroISPA.
Im bislang geheim verhandelten internationalen Handelsabkommen ACTA, das eigentlich die professionelle Produktpiraterie von der abgekupferten Louis Vuitton-Tasche bis zur falschen Nivea-Creme stoppen helfen soll, sind auch Pläne für Netzsperren enthalten. Falls die Regierungen nicht von sich aus entsprechende Gesetze durchdrücken, könnte eine andere Stellschraube genutzt werden, glaubt der Netzanbieter-Verband: Das Zuschieben der Verantwortung der Taten ihrer Nutzer auf die Provider.
Bislang ist ein Provider ohne Kenntnis einer Rechtsverletzung genauso wenig für über sein Netzwerk durchgeführte Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten seiner Kundschaft verantwortlich, wie es die Post für über sie versandte Erpresserbriefe oder Paketbomben ist. Innerhalb von ACTA hat nun die Verhandlungsdelegation der USA den Vorschlag unterbreitet, eine solche Haftung einzuführen.
Das würde die Provider unter Druck setzen, ihrerseits Nutzer zu verfolgen, die Dinge tun, die der Medienindustrie nicht schmecken. "Solche strengen Maßnahmen würden eine enorme Gefahr für die offene Landschaft darstellen, die das Herz des Internet-Erfolges bildet", sagt EuroISPA-Präsident Malcolm Hutty. Er glaube zudem nicht, dass dieses Vorgehen gegen Piraterie hilft. "Es hätte schlicht negative Auswirkungen auf die Nutzer."
ACTA sieht unter anderem eine so genannte "abgestufte Antwort" auf Urheberrechtsverletzungen vor. Dazu gehört neben der neuen Haftung der Provider auch die Umsetzung von Netzsperren in möglichst vielen Ländern. Bürgerrechtler sehen darin einen radikalen Angriff auf die Grundrechte. Ohne das Netz seien die Menschen heutzutage vom Leben abgeschnitten, sagt etwa Internet-Aktivist Cory Doctorow von der "Electronic Frontier Foundation".
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