: Nervös wie nie
Roger Federer bleibt der Grand Slam in diesem Jahr verwehrt, weil Rafael Nadal bestes Sandplatztennis spielt
PARIS taz ■ Und weiter geht’s; Roger Federer ist in Halle angekommen. In Westfalen wird wieder auf Rasen gespielt, und sein erster Gegner wird Robin Söderling sein. Manchmal, wenn man gerade einen großen Titel gewonnen hat, ist die Hetze von einem Termin zum nächsten eine Plage. In diesem Fall kann es allerdings sein, dass sie heilsame Wirkung hat. Wie viel Sinn macht es, noch lange darüber nachzudenken, warum er in Paris gegen Rafael Nadal verloren hat?
Es gibt eine einfache Antwort auf diese Frage, und Federer fand sie noch am Abend der Niederlage: „Ich habe schlecht angefangen und schlecht aufgehört. Nur in der Mitte war ich gut, und das war nicht gut genug.“ Aber die einfache Antwort führt nicht weiter, denn es war nicht die Niederlage an sich, über die man sich wunderte. Nach allem, was Nadal bei seiner Siegesserie auf Sand mit drei Titeln hintereinander vor Beginn der French Open und auch in Paris gezeigt hatte, ist er für viele ohnehin der Favorit gewesen. Die Frage ist vielmehr: Warum reagierte Federer auf die Herausforderung durch den jungen Konkurrenten so nervös wie seit seinem ersten Sieg in Wimbledon 2003 nicht mehr? Warum traf er so viele Bälle mit dem Rahmen wie sonst nie, warum führte die Nervosität diesmal in einem einzigen Satz zu mehr Fehlern mit der Vorhand als manchmal während eines ganzen Turniers?
Es war nicht zu übersehen, dass ihm die stundenlange Warterei auf den Beginn dieses Spiels an einem regnerischen Tag nicht gut getan hatte, und es war offensichtlich auch so, dass ihm das Gerede vom jungen, starken Spanier nicht kalt gelassen hatte. Und vielleicht hatte er auch ein paar Mal zu oft daran gedacht, dass er so gern den Titel in Paris, damit den dritten der vier des Grand Slam, gewinnen würde, weil das keines seiner Idole geschafft hat. Nicht Becker, nicht Edberg, nicht Sampras.
Obwohl er vor dem Spiel erklärt hatte, nach den Erfahrungen aus zwei gemeinsamen Matches wisse er, wie er gegen Nadal zu spielen habe, musste er hinterher zugeben, dass ihn das theoretische Wissen in der Praxis nicht geholfen habe. Er brauchte immer eine Weile, um sich mit dem Drall der Bälle des Linkshänders Nadal anzufreunden, sagte er. Die Zeit hatte er nicht, nachdem der erste Satz so schnell verloren war, aber fast noch erstaunlicher wirkte es, dass er nach einer stabilen Phase in der Mitte im dritten und vierten Satz in die Nervosität des Anfangs zurückfiel. Natürlich hatte Nadal damit zu tun; der bestätigte alle Attribute, die längst über ihn im Spiel sind: unerschrocken, wild und entschlossen, ausdauernd und stark.
Seit der Schweizer Anfang Februar 2004 offiziell die Nummer eins der Weltrangliste wurde, hat er gegen keinen Gegner zweimal verloren. Nadal ist nun der Erste, doch wer daraus den Schluss zieht, der Spanier müsse deshalb auf die Dauer sein ärgster Rivale sein, landet bei Federer an der falschen Adresse. „Wenn ich einmal gegen ihn spiele, soll er gleich zusammen mit mir der Beste sein. Beim nächsten Mal ist es wieder Andy (Roddick) oder Safin oder Hewitt. Leute, ihr müsst schon ein bisschen konstanter in eurer Einschätzung sein. Die anderen drei sind so gut wie Rafael.“ Dass die Zahl der Herausforderer mit dem Spiel in Paris größer geworden ist, bestreitet er nicht. Das steht fest, seit Nadal um 21.15 Uhr am Abend des 3. Juni als Sieger im roten Sand des Court Central lag.
Nun ist Roger Federer, die Nummer eins, also in Halle angekommen, Rafael Nadal spielte derweil Sonntag im Finale gegen Mariano Puerta, den Außenseiter aus Argentinien, das bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht beendet war. Als die French Open 2005 erst ein paar Tage alt waren, hatte der Spanier versucht, all jene zu bremsen, die meinten, er werde ganz bestimmt am letzten Tag des Turniers der Sieger sein. „Wer weiß, wo ich dann bin“, hatte er geantwortet, „vielleicht beim Fischen auf Mallorca.“ Knapp daneben, junger Mann, knapp daneben.
DORIS HENKEL