: Neonazis rufen zur Illegalität auf
Legale Strategie wird als gescheitert betrachtet / Bombenbasteln per Computer-Journal ■ Von Thomas Köller
„Die vollkommen legale Schiene ist endgültig gescheitert“, stellt die neonazistische Postille Die Neue Front-Widerstand in ihrer aktuellen Ausgabe fest und ruft auf zu illegalen Aktivitäten. Die von dem verstorbenen Neonazi Michael Kühnen ins Leben gerufene Zeitung, sieht sich als Modellprojekt für zukünftige rechtsextremistische Aktion und Propaganda. Sie allein könne „als für das System nicht erfaßbares Gebilde unabhängig von staatlichen Verfolgungsmaßnahmen vom sicheren Ausland erscheinen und die Bewegung mit Informationen versorgen“. Gleichzeitig werden von der aus den USA heraus operierenden „NSDAP-AO“ Computerdisketten mit detailgetreuen Anleitungen zum Bau von Brand- und Sprengbomben versandt.
Vertriebs- und Redaktionsadresse der monatlich erscheinenden Neuen Front-Widerstand ist eine Postfachadresse im holländischen Delfzyl. Gegründet wurde die Postille als Organ der „Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front“ (GdNF).
Abgedruckte Aufkleber in der neuesten Ausgabe der Zeitung („Sonderbonus: jetzt 100 Prozent staatsfeindlicher“) künden davon, wen die Autoren als Ansprechpartner betrachten: die verbotene „Nationalistische Front“, die „Wiking Jugend“ und die „Freiheitliche Arbeiterpartei Deutschlands“ (FAP), gegen die derzeit ein Verbotsantrag läuft. All diesen Organisationen will man klarmachen, daß durch die vergangenen legalen Aktivitäten „eine gefährliche Transparenz“ entstanden sei. Sämtliche Führungspersonen seien dem System bekannt, die Verbotswelle habe die legalen Aktivitäten zum Erliegen gebracht. „Zionistisch gesteuerte Politiker“ spielten Hand in Hand mit Verfolgungsbehörden, „um Nationalisten zu verfolgen“. Resignation mache sich „in unseren Kreisen“ breit, die sei aber „überflüssig“: „Denn eigentlich bestimmen wir es selbst, wie stark unsere politischen Strukturen vom Gegner erkennbar und angreifbar sind.“
Um die eigenen Strukturen unangreifbar zu machen, ruft die Zeitung nicht nur dazu auf „linke Strukturen zu zerschlagen“ und veröffentlicht dazu als ersten Schritt Adressen von „linken Chaoten“, sondern druckt auch einen siebenseitigen Artikel aus dem linksradikalen Periodikum radikal zur „subversiven Arbeit mit Computern“ nach. „Wir haben diesen Text geschrieben, weil wir mitbekommen haben, daß erschreckend oft zu nachlässig mit Computern umgegangen wird, wenn es darum geht, daß die Bullen nicht mitbekommen sollen, was mit den Kisten gemacht wird“, schreiben die radikal-Autoren. Die Neonazis bedanken sich für die Tricks und Tips „bei der Redaktion der 'radi' bestens“.
Für den effektiveren Umgang mit Computern wirbt denn auch die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP/AO) mit Sitz in Lincoln/ Nebraska. Sie verschickt derzeit mit Poststempel USA per Computerdiskette das PC-Journal „Endsieg“. Darin kann sich jeder „Kamerad“ auf dem Bildschirm oder per Ausdruck sachkundig machen über die Zusammensetzung und Herstellung von Brand- und Sprengbomben, über Zünd- und Verzögerungstechniken und Sprengtechniken. Das „Handbuch für improvisierte Sprengtechnik“ wird von einem „Autorenkollektiv Werwolf“ herausgegeben, das Copyright liegt bei einem „Horst- Wessel-Verlag“.
Als zusätzlichen Service liefert „Endsieg“ ein Programm, um den Computer auf altdeutsche Schrift umzurüsten (Kontakt über einen „Bund für deutsche Schrift und Sprache“ in Ahlhorn). Außerdem bietet das Computer-Journal einen Nachhilfeunterricht in Sachen „Geschichtsrevisionismus“, um Polen als Verursacher des Zweiten Weltkriegs zu brandmarken, sowie ein Installationsprogramm für Hakenkreuze und antisemitische Parolen als sogenannte Bildschirmschoner.
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