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Neonazi gibt Morde zu

■ Ex-FAP-Mitglied aus dem Ruhrgebiet brachte mindestens vier Menschen um

Berlin (taz) – Ein Neonazi aus dem rheinischen Gladbeck hat gestanden, vier Menschen ermordet zu haben. Der Pressesprecher der Polizeidirektion Recklinghausen erklärte gegenüber der taz, Thomas L. (27) sei am Freitag vergangener Woche in Altena wegen Mordverdachts festgenommen worden. Er soll seinen Freund Martin K. mit einer Pump-Gun erschossen haben, weil dieser aus der rechten Szene aussteigen wollte.

In L.'s Wohnung wurden mehrere Pistolen gefunden, Munition, eine scharfe Panzerfaust und auch Neonazi-Schriften. Bis gestern nachmittag hatte er die Bluttat an seinem Freund und drei weitere Morde gestanden. „Ich gehe davon aus, daß er heute noch eine fünfte Tat gesteht, möglicherweise auch noch zwei weitere“, sagte der Polizeisprecher.

Thomas L. hat Dagmar K. (26) aus Dortmund mit einem Klappspaten erschlagen. Sie war eine Freundin. Acht Monate lag die Leiche in einem Wald vergraben, ohne daß jemand die Frau als vermißt gemeldet hätte. Im Oktober letzten Jahres erschlug Thomas L. auch einen jungen Farbigen in Duisburg; die Leiche warf er in den Rhein. Das vierte Opfer war Patricia W. (23) aus Dortmund. Am 3. Februar diesen Jahres wurde sie mit 91 Messerstichen erstochen. Sie trug einem Aufnäher „Nazis raus!“ an der Jacke.

In den Vernehmungen habe der Mann aggressiv bis explosiv reagiert, sagte der Polizeisprecher. „Der schaltet von einer Minute zur anderen ab und sagt: ,Odin leitet mich'“. Odin ist der germanische Gott der Schlachten, verehrt vor allem von Neonazis aus dem Kreis der Wiking-Jugend und der verbotenen Nationalen Front (NF). Dort war L. Mitglied und auch bei der verbotenen FAP.

Die Staatsanwaltschaft kennt den Mann. 1992 saß L. wegen versuchter schwerer Brandstiftung, Volksverhetzung, Körperverletzung und dem Besitz einer Schußwaffe in Haft. Andere Verfahren waren zuvor eingestellt worden, etwa wegen des Besitzes einer Jagdwaffe und der Verbreitung von NS-Propagandamitteln. Im Juni 1992 kürten ihn die Kameraden der Hilfsgemeinschaft nationaler Gefangener (HNG) zum „Gefangenen des Monats“. Als Hobbys gab er an: „Waffen, Briefmarkensammeln, Musik von Wagner und SA-Kampflieder“.

Heute distanzieren sich die alten Freunde. Der ehemalige FAP- Chef Siegfried Borchert sagte der taz, L. sei „immer ein Einzelgänger gewesen, der nicht richtig dazugehörte“. Er habe mit Fotos, die ihn als Söldner in Kroatien zeigen, auf sich aufmerksam machen wollen. Seine früheren Freundinnen habe er als Polizeispitzel denunziert. Seiner Ex-Frau soll er im vergangenen Jahr eine Paketbombe in die USA geschickt haben.

Die Polizei kam dem Mann auf die Spur, als sie im Neonazi-Umfeld des toten Martin K. ermittelte. Die Freundin von L. führte die Ermittler zu den Fundorten der anderen Leichen. Der Mann soll geistig einen wirren Eindruck machen. Die Polizei läßt ein psychiatrisches Gutachten anfertigen. Annette Rogalla

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