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Neonazi-Führer Heise auf freiem Fuß

Rechtsextremist Thorsten Heise vom Göttinger Landgericht zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt Richter-Begründung: Heise sei in U-Haft nachgereift/ Unmutsäußerungen bei den Zuschauern  ■ Aus Göttingen Reimar Paul

Zwei Jahre Gefängnis, ausgesetzt auf drei Jahre Bewährung — mit diesem Strafmaß bedachte das Landgericht Göttingen am Freitag den Neonazi und Anführer der rechtsradikalen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiter-Partei“ (FAP), Thorsten Heise. Die Kammer folgte damit dem Antrag von Heises Verteidiger, die Staatsanwaltschaft hatte drei Jahre Haft ohne Bewährung gefordert. Die meisten ZuschauerInnen im vollbesetzten Gerichtssaal quittierten den Urteilsspruch mit Unmutsäußerungen. Der Haftbefehl gegen den 22jährigen, mehrfach vorbestraften Rechtsextremisten wurde aufgehoben. Ein mildes Urteil hatte sich bereits nach den Plädoyers am vergangenen Mittwoch abgezeichnet, als der Staatsanwalt den ursprünglich erhobenen Vorwurf des versuchten Totschlags fallen ließ.

Im Mai 1989 war Heise in Nörten- Hardenberg bei Göttingen mit einem Kübelwagen auf einen libanesischen Asylbewerber zugerast. Der Mann konnte sich nur durch einen Sprung ins Gebüsch retten und war anschließend von Gesinnungsfreunden des Angeklagten mit Tränengas beschossen worden. Auch wenn für den Libanesen „eine zweifellos lebensgefährdende Situation“ bestanden habe, bewerteten die Richter den Vorfall als „Geschehen aus einer Bierlaune heraus“ und gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr.

Demgegenüber hielt die Kammer den Angeklagten für überführt, sich im Dezember desselben Jahres am Angriff von Neonazis auf ein Göttinger Jugendzentrum beteiligt zu haben. Mit dem Kommando „Weiter Männer, weiter Sturm“ hatte Heise die FAP-Anhänger im Laufschritt an einer Polizeisperre vorbeigeführt und selber Gegenstände auf das Haus geschleudert. In einem weiteren Fall erkannte das Gericht auf Körperverletzung und versuchte Nötigung, weil Heise einen ehemaligen Gesinnungsgenossen niedergeschlagen, verletzt und telefonisch bedroht hatte. In anderen Punkten, etwa Volksverhetzung oder Zurschaustellung von Emblemen verfassungsfeindlicher Organisationen, sahen die Richter eine individuelle Tatbeteiligung Heises nicht als erwiesen an. Weitere Heise zugeschriebene Taten waren in dem Verfahren überhaupt nicht zur Anklage gebracht worden. Die Aussetzung der Strafe zur Bewährung begründete der Vorsitzende Richter Dr.Reiner Frank damit, daß bei Heise in der Untersuchungshaft „eine Nachreifung stattgefunden hat“.

Dem ursprünglich anberaumten Prozeßtermin im Mai vergangenen Jahres hatte sich Heise durch Flucht in die Ex-DDR entzogen. Dort soll er sich aktiv am Aufbau von FAP-Landesverbänden beteiligt haben. Ein Zielfahndungskommando der Polizei konnte Heise im Februar in Berlin festnehmen.

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