Neonazi-Demo: Der rechtsextreme Netzwerker

Sebastian Schmidtke organisiert die Neonazi-Demo am 1. Mai. Der NPD-Landesvize ist das Bindeglied zwischen Partei und gewaltbereiten autonomen Nationalisten. Auf einschlägigen Webseiten zieht er die Strippen.

Sebastian Schmidtke (mit Basecap vor dem Leittransparent) bei der von ihm ebenfalls angemeldeten Nazidemo im Oktober 2009 durch Berlin-Mitte Bild: Emil Jacobs

Das Flugblatt hängt am Bundestag. "Unserem Volk eine Zukunft - Nationaler Sozialismus jetzt" steht darauf. Am Roten Rathaus klebt direkt unter dem Schild "Der Regierende Bürgermeister von Berlin" ein weiterer Zettel: "Wegen Betrug vom Volk geschlossen", ist dort zu lesen. Dazu der Link auf die rechtsextreme Internetseite, auf der die Fotos von den Flugblattaktionen zu sehen sind.

Darauf erscheinen bereits seit Anfang März nach jedem Wochenende Berichte über Aktionen der "freien Kräfte" des "nationalen Widerstands". Mal in Spandau. Mal im Wedding. Mal in Marzahn. Die Fotos zeigen Infostände, Grafitti oder auch Demotraining im Wald. Und alle werben für die rechtsextreme Demonstration am 1. Mai. Zentrale Figur hinter dieser Kampagne ist Sebastian Schmidtke. Schon im Oktober warb er für den Aufmarsch in der Hauptstadt. Er ist Anmelder der Demo. Er wird als presserechtlich Verantwortlicher auf den Flugblättern genannt. Seine Handynummer ist auf allen einschlägigen Internetseiten zu finden.

Schmidtke stammt aus Strausberg. Dort war er beim Kameradschaftsnetzwerk "Märkischer Heimatschutz" aktiv. In Berlin fiel er als Anmelder zahlreicher Demonstrationen für ein "nationales Jugendzentrum" auf. Seit dem Verbot der Kameradschaften im Jahr 2005 ist er bei den "freien Kräften" aktiv, die - auch um weiteren Verboten zu entgehen - weder offizielle Strukturen noch feste Namen haben. Doch seit Februar hat Schmidtke auch ein offizielles Amt: Er ist stellvertretender Landesvorsitzender der NPD.

"Schmidtke ist wichtig für die Integration der Kameradschaftsstrukturen in die NPD", sagt Sebastian Werhahn von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremisums (MBR). Im März trafen sich die Kameraden in der NPD-Zentrale zum Workshop. Es ging um "Antikapitalismus von rechts". Das Ergebnis wurde als Broschüre zum Download ins Netz gestellt. Die Verstaatlichung von Schüsselindustrien wird da gefordert. Und die "Rückreise der hier ansässigen Ausländer in ihre Heimatländer". "Nationaler Sozialismus ist für die nicht nur ein Label", sagt Wehrhahn. "Die nehmen das ernst."

"Die" nennen sich heute gern "autonome Nationalisten". Deren Zahl habe sich seit 2007 bundesweit von 400 auf 800 verdoppelt, warnte kürzlich der Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, Heinz Fromm. Ihre Schwerpunkte lägen im Ruhrgebiet - und in Berlin. "Wir hätten die Zahl schon vor drei Jahren doppelt so hoch eingeschätzt", sagt Eike Sanders vom Antifaschistischen Pressearchiv (Apabiz). Doch in einem Punkt stimmen die Beobachter überein: Die autonomen Nationalisten sind weniger an langweiliger Parteipolitik als an Aktionen interessiert. Auch an Gewalt.

"Es geht ganz klar gegen Menschen", sagt Sanders. "Das ist unheimlich." Seit Ende 2009 wurden in Berlin zahlreiche Treffpunkte der linken Szene angegriffen. Wer dahinter steckt, ist unklar. Einmal wurde eine rechtsextreme Internetadresse an eine Wand gesprayt. Auf der Seite findet man eine umfangreiche Liste "Linker Läden" und regelmäßig Schmidtkes Mobilisierungstexte. "Erkenne deinen politischen Gegner", steht über einem der letzten Berichte.

Schon äußerlich könnte Schmidtke ein Prototyp der autonomen Nationalisten sein. Er tritt in schwarzen Klamotten auf, trägt Basecap und würde beim ersten Blick auch inmitten einer Antifa-Gruppe kaum auffallen. In so einem Outfit können sich die "Nationalen Sozialisten" unauffällig bewegen. "Sie sind im Moment superdreist", sagt Apabiz-Mitarbeiterin Sanders. Am Mittwoch besuchte Schmidtke sogar den Verfassungsschutzausschuss des Abgeordnetenhauses. Die Parlamentarier diskutierten über den 1. Mai.

Ob dahinter ein bloßes Aufplustern oder tatsächlich eine neue Stärke der Rechtsextremen steht, "wird sich am 1. Mai entscheiden", sagt MBR-Mitarbeiter Werhahn. Zuletzt bat Schmidtke im Internet darum, "dass sich Reisegruppen bitte anmelden". Das könnte auf szeneinterne Mobilisierungsprobleme hindeuten. Doch auch wenn der Aufmarsch am 1. Mai kein Erfolg für die Nazis werde, dürfe man sie nicht unterschätzen, sagt Werhahn. "Für potenzielle Opfer ist es letztlich egal, ob sie aus einer Position der Stärke oder der Schwäche bedroht werden."

taz.de berichtet Freitag ab 17 Uhr und Samstag den ganzen Tag im LIVETICKER von den Demos in Berlin, Hamburg und Rostock.

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