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■ Der ANC stellte sein Wirtschaftsprogramm vorNeoliberaler Gehorsam

Ein Anti-Trust-Gesetz zur Entflechtung der südafrikanischen Ökonomie ist der einzige Punkt im Wirtschaftsprogramm des ANC, der noch einen Hauch von Kapitalismus-Reform verbreitet. Fünf Großkonzerne kontrollieren 80 Prozent der Unternehmen, deren Aktien an der Johannesburger Börse gehandelt werden. Doch nicht nur die ungeheure Macht der Monopole läßt Zweifel aufkommen, ob die Kartelle am Kap tatsächlich gebremst werden.

Schon jetzt vollzog der ANC mit seinem Wirtschaftsprogramm den neoliberalen Gehorsam. Dem Internationalen Währungsfonds, ursprünglich gemieden wie die Pest, wurde versprochen, das Haushaltsdefizit auf maximal sechs Prozent des Bruttosozialprodukts zu begrenzen – der ausländischen Kredite wegen. Statt sozialer Umverteilung soll jetzt der zielgerichtete Einsatz von staatlichen Ausgaben das Los der schwarzen Bevölkerungsmehrheit verbessern. Doch auch dafür wird nur wenig Geld vorhanden sein.

Die einstige Befreiungsbewegung fügte sich nicht nur dem Diktat der ökonomischen und politischen Zwänge, auch die mißglückten Wirtschaftsexperimente in anderen afrikanischen Ländern erleichterten der ANC-Spitze einen Sinneswandel in der Wirtschaftspolitik, der an der Basis nicht unbedingt nachvollzogen wird. Das „Zivilisationsprogramm“ mag Strom und Gesundheit für Millionen versprechen. Ob sie sich jemals den Strom leisten können, steht auf einem anderen Papier.

Selbst der ANC glaubt, in den kommenden fünf Jahren höchstens eine halbe Million Arbeitsplätze schaffen zu können. Das klingt toll, ist aber höchstens ein Tropfen auf den heißen Stein: Denn jedes Jahr drängen alleine über 400.000 junge Leute neu auf den Arbeitsmarkt. Vom Problem der Arbeitslosigkeit, die auf 50 Prozent geschätzt wird, ganz zu schweigen.

Nelson Mandela beschwörte am Wochenende den Unterschied zwischen der Ersten und Dritten Welt in Südafrika. Das vorgelegte Wirtschaftsprogramm kann diese Kluft nicht überwinden. Im Gegenteil, ähnliche neoliberale Programme hatten in Lateinamerika zur Folge, daß sich die sozialen Spannungen noch verschärften. Eine Gruppe um den ehemaligen Gewerkschaftsboß Jay Naidoo sieht die Gefahr. Sie pocht darauf, nach den Wahlen in der Regierung der Nationalen Einheit wenigstens die Ministerien mit ANC-Leuten zu besetzen, die Arbeitsbeschaffungsprogramme umsetzen und bestimmen können, welche Industriepolitik gefahren wird. Die Absicht: arbeitsintensive Unternehmen zu fördern. Aber auch dieses Häufchen der Aufrechten wird kaum die Erwartungen von Millionen Südafrikanern erfüllen, die hoffen, daß mit den Wahlen bessere Zeiten anbrechen. Willi Germund

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