: Neid ohne Aktenzeichen
Beamte verdienen inzwischen drastisch mehr als Angestellte im Staatsdienst. Und das ist nicht ihr einziges Privileg
VON ULRIKE HERRMANN
Friedrich-Wilhelm Ließmann war es „einfach leid“. Der Bauingenieur arbeitet bei der Stadt Hildesheim – als Angestellter. Seine Kollegen hingegen sind zum Teil verbeamtet, und das ist ein gutes Geschäft: Sie verdienen jährlich 6.724,55 Euro netto mehr, hat Ließmann ausgerechnet.
Daher hat der 57-Jährige nun geklagt. Ließmann verlangt, dass das Land Niedersachsen gleiche Arbeit auch gleich entlohnt, und will den Nettolohn-Unterschied zwischen der Besoldungsgruppe A 12 und dem Angestelltentarif BAT 3 nicht mehr akzeptieren. Aber das Arbeitsgericht Hildesheim machte ihm am letzten Donnerstag wenig Hoffnung, die Klage zu gewinnen. Beamte, so wurde das Bundesarbeitsgericht zitiert, seien in ihrem Status unvergleichbar mit Angestellten. Daher lasse sich auch die Entlohnung prinzipiell nicht vergleichen. „Eigentlich hätte ich die Richter wegen Befangenheit ablehnen müssen“, findet Ließmann. Schließlich seien auch sie Beamten und entschieden nun über das Beamtenrecht.
Ließmann arbeitet seit über dreißig Jahren beim Staat, und früher hätte es ihm durchaus offen gestanden, Beamter zu werden. „Aber damals habe ich darüber gar nicht nachgedacht.“ Denn damals existierten die Lohnunterschiede noch nicht, gegen die er nun klagt. Eigentlich sind die Vergütungen von Beamten und Angestellten nämlich aufeinander abgestimmt. Schon vor dem Ersten Weltkrieg hat die Reichsregierung so genannte „Eckmann-Vergleiche“ angestellt, die in den 50er-Jahren wiederholt wurden. Dabei wurde die Entlohnung der untersten Einkommensgruppen beim Staat und in der privaten Wirtschaft verglichen – anschließend wurde überprüft, ob die Besoldungsabstände zwischen den untersten und den höchsten Beamten den Lohnunterschieden in den Firmen zwischen einfachen Arbeitern und Führungskräften so ungefähr entsprachen. Dieses simple Vergleichsmodell hat funktioniert – bis die Lohnnebenkosten explodierten. Nun werden den Angestellten immer höhere Beiträge für die Renten- und die Arbeitslosenversicherung abgezogen. Beamte hingegen müssen nicht in die Sozialkassen einzahlen. Der Abstand bei den Nettoentgelten wuchs rasant.
Allerdings müssen auch die Beamten erste Einbußen hinnehmen. Im Juli beschloss der Bundesrat zum Beispiel eine „Öffnungsklausel“. Seither können die Länder Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld selbst bestimmen – und überall wurde sofort der Rotstift angesetzt. Dennoch: Die Nettolohnunterschiede bleiben gewaltig zwischen Angestellten und Beamten.
Das ist keine Neuigkeit, doch herrscht eine allgemeine Scheu, die Unterschiede genauer zu beziffern. Die Bundesregierung erstellt schon seit Jahrzehnten keine Einkommsvergleiche mehr zwischen den Beamten und öffentlichen Angestellten. Und auch die Gewerkschaften halten sich zurück; sie wollen auf keinen Fall riskieren, dass sich die eigene Klientel gegenseitig im Neid zerfleischt.
Mit den steigenden Lohnnebenkosten lässt sich ein weiteres Privileg der Beamten jedoch nicht erklären: ihre durchaus üppigen Pensionen. Wie das Bundesamt für Statistik angibt, erhielten die Beamten im Januar 2003 durchschnittlich 2.240 Euro monatlich – verrentete Angestellte hingegen bekamen 2002 nur 817 Euro. Netto sind die Unterschiede allerdings nicht ganz so groß. Der statistische Durchschnitt berücksichtigt nicht, dass Beamte sehr viel häufiger studiert haben als Angestellte – und dass sie ihre Pensionen voll versteuern müssen. Zudem will der Staat kompensieren, dass viele Angestellte in der Privatwirtschaft neben ihrer eigentlichen Rente auch noch von freiwilligen Betriebsrenten ihrer Arbeitgeber profitieren. Allerdings leisten sich fast nur Großunternehmen diesen Zusatzbonus – und auch dort wird stark gekürzt. Vor ein paar Tagen kündigten die Commerzbank und der Gerling-Konzern an, dass sie bei ihren Betriebsrenten sparen werden. Unterm Strich bleibt es dabei: Pensionäre erhalten netto etwa ein Viertel mehr als Rentner.
Für Neiddebatten findet sich also viel Stoff. Vor allem aber verhindert der Privilegienstadl, dass sich Deutschland reformieren lässt. Sinnvolle Vorschläge wie die Bürgerversicherung sind nicht durchzusetzen, weil zu viele um ihre Sondervorteile fürchten.