Negativpreis für Lobbyismus vergeben: Der Einflussnahme verpflichtet

Knapp 8500 Internetnutzer haben abgestimmt: Eine EU-Abgeordnete und die Agrosprit-Lobby erhalten jeweils einen Negativpreis von NGOs - für Fehlverhalten beim Lobbying.

Eine Abgeordnete des EU-Parlaments hat den "Worst Conflict of Interest Award" erhalten. Bild: reuters

BERLIN taz Manchmal haben Jobwechsel ehemaliger Politiker einen faden Beigeschmack – wie der der finnischen Europa-Abgeordneten Piia-Noora Kauppi. Jahrelang brachte sie Anträge ins Europäische Parlament ein, die beispielsweise eine Regulierung des Finanzsektors auf europäischer Ebene verhindern sollten. Mittlerweile hat Kauppi einen neuen Job – bei einer finnischen Bankenlobbygruppe. Dieser Seitenwechsel hat ihr jetzt den "Worst Conflict of Interest Award 2008" eingebracht.

Mit dem Negativpreis wollen die NGOs Corporate Europe Observatory, Friends of the Earth Europe, Lobbycontrol und Spinwatch besonders schwerwiegende Fälle von europäischem Lobbyismus rügen. Dazu veröffentlichten sie Ende Oktober Kandidaten in zwei Kategorien: den "Worst EU Lobbying Award" für irreführende und manipulative Lobbying-Kampagnen und den "Worst Conflict of Interest Award" für den oder die EU-EntscheidungsträgerIn mit dem größten Interessenkonflikt.

Der Preis für Einzelpersonen ist in diesem Jahr zum ersten Mal vergeben worden. "Diese Kategorie wurde eingeführt, um aufzuzeigen, dass die EU-Institutionen endlich bei sich selbst aufräumen müssen", heißt es als Begründung der Initiatoren. Immer noch gebe es zu wenig Anstrengungen, Interessenkonflikte zu verhindern, auch wenn in den letzten Jahren mehr Fälle von fragwürdigen Jobwechseln oder Arbeitgebern öffentlich geworden sind. Fast 8.500 Leute haben abgestimmt und die Sieger gekürt.

Den Preis für die schlimmste Lobbygruppe erhält in diesem Jahr die Agrosprit-Lobby. Sie erhielt über 50 Prozent der abgegebenen Stimmen für den Gruppenpreis. Es handelt sich um den Zusammenschluss von malaysischer Regierung und Palmölproduzenten MPOC, die Initiative brasilianischer Zuckerbarone UNICA und Abengoa Bioenergy, eine US-amerikanische Tochter des spanischen Technologiekonzerns Abengoa. Sie alle stecken hinter Kampagnen, die den Agrotreibstoffen einen "grünen" Anstrich verpassen sollten. Dazu schalteten sie beispielsweise Werbung in zentralen EU-Leitmedien, in denen zu hohe Treibhausgas-Einsparungen durch Agrosprit versprochen wurden. Ein von MPOC produzierter und auf BBC ausgestrahlter Werbefilm ist auch schon an anderer Stelle gerügt worden. Die Werbewächster von der British Advertising Standards Authority hatten kritisiert, dass der Werbespot behauptet, Ölpalmenplantagen seien der Umwelt zuträglich.

Mit großem Abstand folgen weitere Lobbygruppen auf den Plätzen zwei bis fünf. Mit dem zweiten Platz ausgezeichnet wurde die International Air Transport Association (IATA), die als Lobbygruppe für Fluggesellschaften wie Lufthansa und Air France Vorschriften zur CO2-Vermeidung in Luftfahrt torpediert hat. Die Mittel der IATA waren dabei vor allem so genanntes "greenwashing", also das Verbreiten von geschönten oder veralteten Zahlen zur Umweltverträglichkeit, und das Drohen mit dem wirtschaftlichen Untergang. Eine erfolgreiche Einflussnahme bescheinigen die Organisatoren der IATA. Die Luftfahrtindustrie wurde im Juli 2008 mit wenig ambitionierten Emissionseinsparzielen und vielen kostenlosen Emissionsrechten bedacht.

Eine erfolgreiche eigene "Einflussnahme" können die Lobbyismus-Wächter auch schon für sich verbuchen. Auf der Nominierungsliste stand das European Business and Parliament Scheme (EBPS), eine Dachorganisation, die Vertreter von 28 multinationalen Konzernen mit Abgeordneten des Europäischen Parlaments zusammenbringt. Dazu saß die EBPS praktischerweise gleich selbst in Büros des Parlamentgebäudes. Bereits im April diesen Jahres war der Fall öffentlich geworden. Mitte November gab die EU dann bekannt, dass EBPS seine Büros geräumt hat und die offizielle Beteiligung des Parlaments beendet wird.

Als Reaktion auf den großen Einfluss von Unternehmen und anderen Interessengruppen auf politische Entscheidungen führte die EU im Juni ein neues öffentliches Lobby-Register ein. Darin sollen sich Lobbyisten eintragen, damit Bürger transparenter sehen können, wer auf welche Entscheidungen Einfluss nimmt. Das Register funktioniert bisher allerdings auf freiwilliger Basis. Daher haben sich bis jetzt auch nur 635 Interessenvertreter eingetragen. Schätzungen gehen hingegen von mehreren tausend Lobbyisten in Brüssel aus.

Umweltthemen spielen für den Lobbygruppen-Preis offensichtlich eine große Rolle. Bereits im letzten Jahr wurde die Auto-Lobby für ihre Einflussnahme auf die Regelung der CO2-Grenzwerte für Fahrzeuge gerügt. Stellvertretend erhielten BMW, Daimler und Porsche den „Worst EU Lobbying Award“. Auch das deutsche Atomforum bekam bei der Preisverleihung in Brüssel einen Sonderpreis – für das schlimmste „greenwashing“.

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