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■ Nebensachen aus SüdafrikaAuf dem Acker bei Pretoria

Der Saal der St. Georges Kathedrale in Kapstadt war mit Bedacht gewählt worden. Schließlich fanden hier in der Vergangenheit zahlreiche Protestveranstaltungen gegen das Apartheidregime in Pretoria statt. Diesmal aber hatten sich auf der Bühne die Gegner von einst versammelt: Der ehemalige südafrikanische Polizeiminister Hernus Kriel, jetzt Ministerpräsident der Kapprovinz, saß neben Patricia de Lille vom linksradikalen „Pan Africanist Congress“ (PAC) und Allan Boesak, dem noch amtierenden Vorsitzenden des „African National Congress“ (ANC) in der Kap-Region. Boesak, der Priester mit dem schlagfertigen Mundwerk, brachte denn auch auf eine griffige Formel, was die drei unterschiedlichen Politiker vereinte: „Ich habe mein halbes Leben gegen das Pretoria-Regime gekämpft, und ich werde dies auch weiter so halten. Die dürfen das Parlament nicht dorthin umziehen lassen.“ Nun stehen solche Pläne derzeit keineswegs ganz oben auf der Prioritätenliste, aber Kapstadts Politiker handeln schon jetzt nach dem Motto: Wehret den Anfängen!

Südafrika hat seit Anfang des Jahrhunderts gewissermaßen drei Hauptstädte: Pretoria ist Sitz der Regierung und der Verwaltung, in Bloemfontein befindet sich der Oberste Gerichtshof und in Kapstadt ist das Parlament beheimatet. ANC-Parlamentarier, sagte Boesak erbost, wollen die Abgeordneten in Zukunft „irgendwo auf dem Acker bei Pretoria“ tagen lassen. Aus Kostengründen. Denn bislang findet vor jeder Parlamentsitzung erst einmal Umzug statt: Während die Ministerialbürokratie in Pretoria bleibt, machen sich Spitzenbeamte, Minister und Staatsekretäre in die Stadt am Kap auf. Zu Apartheidzeiten mochte dies noch angehen. Das Parlament trat jedes Jahr nur für ein paar Monate zusammen. Doch seit im April das „Neue Südafrika“ aus der Taufe gehoben wurde, tagen die Abgeordneten länger und häufiger.

So beginnt zu jeder Session ein neuer Treck. Die Computer werden verpackt. Die Autos gehen per Bahn auf die 2.000 Kilometer Reise nach Kapstadt. Die Ministermannschaft fliegt — und muß an Wochenende selbstverständlich zur Familie nach Hause. Es gibt „Härtegeld“. Ganz zu schweigen von den Residenzen für Präsident Nelson Mandela und seine beiden Stellvertreter.

Aber Hernus Kriel und Boesak wollen von solchen Kostenargumenten nichts wissen. Sie zitieren Minister Jay Naidoo, zuständig für das Wiederaufbau- und Entwicklungsprogramm, der selbst gesagt haben soll: „Die einzigen Neubauten, die wir brauchen, sind Wohnhäuser.“

Und wer wird schon bezweifeln, daß es schöneres als Cape Town gibt. Das US-Nachrichtenmagazin Time fand bei einer Umfrage unter Diplomaten aus aller Welt heraus, daß nicht Paris oder Bangkok, sondern Kapstadt mit seinem Tafelberg und den Weinanbaugebieten im Hinterland als begehrtester Posten gilt! Kalt läßt das nur den „echten Vaali“, den Bürger aus dem Transvaal. Und damit ist denn auch angesprochen, was im Grunde wirklich hinter dem Gezeter um die Parlamentsverlegung steckt: die alte Abneigung zwischen den „Capetonians“ und den „Vaalis“. Kapstadt galt schon zu Zeiten der Apartheid immer als „liberaler“ — wenn auch die Slums in der Umgebung aus dem Boden schossen wie anderswo. Wenn die „Vaalis“ zu Weihnachten wie die Heuschrecken über Kapstadt Strände und Restaurants herfallen, verbarrikadiert sich ein echter Kapstädter auf der Sonnenterrasse und zieht über die „Vaalis“ her wie die Deutschen über den Mantafahrer.

Die Weißen aus aus dem „Hochfeld“ wiederum haben nicht vergessen, daß sie einst zum „Großen Trek“ von Kapstadt aufbrachen, weil die reichen Hugenotten und Buren dort ihre Vorfahren wie den letzten Dreck behandelten. Selbst unter nicht- weißen Südafrikanern werden Vorurteile gepflegt. Seine ANC- Kollegen aus Johannesburg, so höhnte Boesak schon mal, wüßten ja nicht einmal die guten Weine vom Kap zu schätzen — das seien schließlich alles Bier- und Brandytrinker.

Ob es tatsächlich jemals zu einem Umzug kommen wird? Die ANC-Regierung unter Nelson Mandela hat gegenwärtig mehr als genug mit den sozialen und wirtschaftlichen Problemen Südafrikas zu tun. Aber damit er nicht doch noch auf dumme Gedanken kommt, gab ihm ein Redner in der Kathredale von St. George einen Hinweis mit auf den Weg: „Wenn sie das Parlament aus Kapstadt verlegen wollen, können sie auch gleich das Hauptquartier der Marine in Pretoria ansiedeln.“ Willi Germund

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