piwik no script img

■ Nebensachen aus RomGala-Hochzeit als Zahnersatz

Romolo Proietti ist total auf dem Hund: Seine Tochter Luana, 25, hat ihm vor einem Monat eröffnet, daß sie demnächst heiraten werde. Und seither läuft Romolo mit hängendem Kopf durch die Gegend und hadert mit seinem Schicksal. Daß ihm das passieren muß. Gerade jetzt.

Ist der liebevolle Vater etwa eifersüchtig? Paßt ihm der Schwiegersohn in spe nicht? Nein, alldas ist kein Problem. Daß die Tochter, wiewohl noch im Hause lebend, einmal heiraten wird, war Romolo klar; das wird auch bei den jüngeren Geschwistern so sein. Das Problem sind die Zähne.

Denn Romolo, wiewohl noch keine 50, hat ein total verschlissenes Gebiß, und um das wieder ins Lot zu bringen, muß er umgerechnet an die 20.000 Mark aufbringen – die Kasse zahlt gerade mal 20 Prozent zu. Die zwanzig Millionen Lire hat er in acht Jahren teils zusammengespart, teils mit einem Bankkredit aufgebracht. Und nun kommt die Hochzeit der Tochter dazwischen.

Denn Hochzeitsfeiern in Italien treiben in aller Regel die Eltern in den Ruin. Zwar ist inzwischen die jüngere Generation entschlossen, zum Fest nur „die engsten Verwandten und die allerbesten paar Freunde“ einzuladen – doch auf wundersame Weise wird daraus fast immer ein voller Saal mit 200 oder mehr Personen. Da man selbst ein bescheidenes Menü heutzutage schon mit mindestens 80 bis 100 Mark ansetzen muß, wozu noch die Musik kommt, Hochzeitsfotos vor dem Tempel oder am Strand und Wein (den man immer selbst mitbringt, er ist eine Art eigene Visitenkarte), sind schnell 15.000 Mark und mehr anzusetzen.

Doch es bleibt ja nicht dabei. Wie könnte sich ein Vater, selbst aus einfachen sozialen Kreisen, sich noch sehen lassen, wenn er seine Tochter nicht in ein gemachtes Nest setzen würde! Also muß eine Wohnung her. Zwar hat die Familie des Schwiegersohnes eine – nur, da hockt seit Jahren ein Mieter drin, der nicht herauszukriegen ist, weil kinderreich, und der überdies auch die Miete seit Jahren schuldig ist. In bösen Momenten denkt Romolo schon mal daran, mit seiner Jagdflinte dort die Aufwartung zu machen, um die Räumung durchzusetzen.

Seither sucht Romolo also auch noch nach einer Wohnung, die zu bezahlen ist, und zweitens nach Möbelgeschäften, die die Einrichtung mit großem Rabatt oder wenigstens langfristigem Abstottern verkaufen. Denn eingerichtet werden muß das Appartement auch noch standesgemäß. Nix „second hand“.

Die Alternative ist ein erneuter Gang zu Bank. Mehr als die Hälfte aller Privatkredite in Mittel- und Süditalien werden für Hochzeiten vergeben (zweiter Platz: Krankenkosten). Romolo weiß aber, daß auch das seinen Kiefer nicht entlasten wird. In spätestens fünf, sechs Jahren steht die zweite Tochter zur Hochzeit heran, „gerade dann wohl, wenn ich die Schulden für die erste getilgt habe“.

Bleibt also nur die nunmehr angepeilte Lösung: Romolos Frau kocht eben künftig nur leicht Kaubares. Und wenn er in Pension geht, in zehn oder fünzehn Jahren, werden die Zähne gerichtet, oder das, was davon noch übrig ist. Werner Raith

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen