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Nebensachen aus RioWeltmeister beim Schmuggeln ertappt

■ In Brasilien wird gestritten, ob Zollbestimmungen auch für Fußballstars gelten

Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich. So jedenfalls steht es in der brasilianischen Verfassung. Seit der zwangsweisen Amtsenthebung von Brasiliens korruptem Ex-Präsidenten Fernando Collor im Dezember 1992 glauben sogar viele BrasilianerInnen an dieses hehre Ideal. Sogar Collors ehemaliger Geldbeschaffer, der Unternehmer Paulo Cesar Farias, sitzt ja bereits hinter Gittern. Doch gilt das Gesetz auch für die vierfachen Fußball-Weltmeister?

Darüber ist zur Zeit in Brasilien eine wilde Debatte entbrannt. Die Nationalelf und ihre erlauchten 56 Gäste schmuggelten bei ihrem Rückflug am vergangenen Dienstag fünfzehn Tonnen hochwertige Importe aus den USA am brasilianischen Zoll vorbei. Kühlschränke, Laserdrucker, Laptops, Videorecorder, Fernseher und Geschirrspüler „made in USA“ sollen die Wohnzimmer der erfolgreichen Fußballer und ihrer Freunde schmücken. Der brasilianische Fiskus verlor schätzungsweise eine Million Dollar. Die Mehrheit der Kicker sieht darin keinen Grund zur Aufregung. Als Dank für ihre Verdienste um das Vaterland, so die Weltmeister, könnte der Fiskus doch einmal ein Auge zudrücken. Brasiliens Präsident Itamar Franco, stets auf seine Popularität bedacht, verneigte sich vor dieser zwingenden Logik. Schließlich liegt der letzte Sieg Brasiliens bei einer Fußball-WM 24 Jahre zurück.

Doch beliebt beim Volk machte sich durch die Episode nicht Präsident Itamar Franco, sondern Steuereintreiber Osiris Lopes Filho. „Ich dachte, Brasilien ist ein zivilisiertes Land, wo Gesetze gelten“, erklärte der Finanzsekretär und setzte am vergangenen Freitag sein Kündigungsschreiben auf. Dank der Prinzipientreue des Juristen schlug das Klima um. „Die brasilianische Elite hat leider immer noch nicht begriffen, daß sich das Volk nach Gerechtigkeit sehnt“, klagt der Ex-Finanzsekretär und beschuldigt Präsident Itamar Franco indirekt, nichts gegen die Malaise aus Korruption und Klientelismus zu unternehmen.

Bei der brasilianischen Nationalelf sickert die Einsicht, daß Zollgebühren auch von vierfachen Weltmeistern zu entrichten sind, nur langsam durch. Rechtsaußen Jorginho, der bei Bayern München kickt, hat bis jetzt als einziger eingewilligt, Steuern nachträglich abzuführen. „Wenn ich zahlen muß, zahle ich. Doch wenn die Regierung uns die Steuern entläßt, nehme ich das Geschenk gerne an“, erklärte er. Immerhin habe es die brasilianische Regierung nicht für nötig gehalten, den Spielern vor dem Halbfinale zu gratulieren.

Osiris Lopes weiß, daß die Fußballkicker gegenüber mächtigen Vertretern aus der Wirtschaft kleine Fische sind. Von den 36.000 Direktoren der größten brasilianischen Unternehmen, die über Vermögen zwischen 92 und 800 Millionen Dollar verfügen, so zitiert Lopes die Statistik, hat sich die Mehrheit ebenfalls am Fiskus verbeigemogelt. Drei Herrschaften wurden vom Finanzamt von jeglicher Belastung befreit, während einer 200 US- Dollar und ein weiterer 500 US- Dollar für den Staat aufbrachte.

Daß die Herren aus der Wirtschaft mit dem Heer der brasilianischen Angestellten, die 70 Prozent des Steueraufkommens aufbringen, womöglich gleichgestellt werden, brauchen sie nicht zu befürchten: Ihre Vertreter im Parlament haben bis jetzt die Abstimmung über die Besteuerung großer Vermögen verhindert. Zur Streichung des Grundsatzes „Vor dem Gesetz sind alle Brasilianer gleich“ mochten sich die Volksvertreter dennoch nicht aufraffen. Astrid Prange

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