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■ Nebensachen aus RioVerläßliche Methoden

Die Portugiesen wußten es schon immer: Im angenehmen tropischen Atlantikklima gedeiht die Unterwelt prächtig. Vor fünfhundert Jahren beglückten sie deshalb ihre Verbrecher mit einer Freifahrt über den Ozean, verbannten sie aus Rio und renovierten ihre heruntergekommenen Gefängnisse. Brasiliens ehemalige Hauptstadt gelangte so in den Ruf, ein Nest der Geborgenheit für charmante Ganoven aus aller Welt zu sein. Posträuber Ronald Biggs, der vor dem Würgegriff der Interpol an die Copacabana floh, gibt als „Gefangener von Rio“ freimütig Interviews gegen Barzahlung und macht augenzwinkernd Werbung für Alarmanlagen.

Biggs gliederte sich mühelos in die Reihe der eleganten Gauner Rios ein, die im weißen Leinenanzug braungebrannten Bikinischönheiten an der Copacabana ihre Aufwartung machen. Die „Cariocas“, wie sich die Einwohner Rios nennen, sind von Natur aus begnadete Müßiggänger, davon jedenfalls sind alle anderen Brasilianer überzeugt. „Cariocas“ fröhnen dem süßen Leben, sie verbringen ihre Zeit am Strand, und beim Karneval ergeben sie sich dem exzessiven Körperkult und heißen Sambarhythmen. Ihre hemmungslose Wettleidenschaft leben sie beim verbotenen Tierlotto an der Straßenecke aus, das in Rio Millionenumsätze verzeichnet.

All das gehört zur blühenden Folklore um den Zuckerhut. Nicht dazu gehören Wahlen wie am 3. Oktober. Da verfielen die Herren in den weißen Anzügen auf die Idee, die Zahl ihrer Vertreter innerhalb der demokratischen Institutionen ein wenig aufzustocken. Der Wahlbetrug in Rio de Janeiro hat inzwischen solche Ausmaße angenommen, daß der Vorsitzende des Obersten Wahlgerichtes geneigt ist, alle Stimmzettel erneut auszählen zu lassen. Rio de Janeiro ist das einzige der insgesamt 27 Bundesländer, wo die Auszählung der Stimmen noch nicht abgeschlossen ist. Und bis dahin kann auch das offizielle Endergebnis nicht verkündet werden.

Die Kandidaten der Unterwelt sorgten bereits vorher für die „richtige“ Auswahl der Wahlhelfer, die dann bei der Eingabe in die Computer den Damen und Herren von der Texterfassung ein falsches Ergebnis „vorsangen“. Leere Stimmzettel wurden nachträglich zugunsten von Angehörigen der Mafia ausgefüllt. In einigen Wahlbezirken, wie Santa Cruz im Ostteil der Stadt, ergaben nachträgliche Kontrollen, daß 90 Prozent der insgesamt 300.000 Stimmen umgeleitet worden waren. Ohne die Mithilfe von Wahlrichtern, ist die brasilianische Bundespolizei überzeugt, ist Wahlbetrug in diesem Ausmaß nicht möglich.

Die des Betrugs beschuldigte Kandidatin Marcia Cibilis Viana weist jeden Vorwurf weit von sich: „Meine Wiederwahl war sicher“, erklärt die Abgeordnete. Wahlrichterin Sumimei Hablitschek weiß es besser: Zwei der fünf Wahlhelfer aus dem Wahlbezirk Duque de Caxias sind Angestellte beim Herrn Cibilia Viana, seines Zeichens Direktor der Landesbank „Banerj“ sowie Finanzsekretär des Bundesstaates Rio de Janeiro, und zufällig Vater der Kandidatin. Vielleicht war sich die Tochter ihrer Wiederwahl doch nicht so sicher. Da schien es besser, sich auf die rüden Methoden der portugiesischen Kolonisatoren zu besinnen. Auf die ist bis heute noch Verlaß. Astrid Prange

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