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Nebensachen aus ParisFascho-Diners und der antirassistische Appetit

■ Ob rechte oder linke Politspektakel spannender sind, entscheidet in Paris der Machthunger

Noch beim Sonntagseinkauf werden Pariser JournalistInnen mit Politik traktiert. „Geh am 6.Februar auf die Anti-Rassismus-Demo“, drang der Verkäufer von Ras l' Front, was so viel heißt wie „Schnauze voll von der Front National“; „wir müssen Flagge zeigen, schließlich machen die Faschos eine Gedenkveranstaltung zu 1934.“

Die Demo ist längst im Kalender eingetragen, doch was war bloß am 6.Februar 1934 in Frankreich los? Die französischen Freunde wissen es auch nicht, doch ein Blick ins Geschichtsbuch hilft. „Die fehlgeschlagene Revolution“, heißt es da: Vor genau 59 Jahren griffen 30.000 Rechte die Pariser Nationalversammlung an, der Aufruhr wurde blutig niedergeschlagen.

Die Gedenkveranstaltung der Front National klingt zunächst spannender als die Demo, für die es in Frankreich, anders als in Deutschland, wenig konkreten Anlaß gibt. Geplant ist ein déjeuner-débat in der Mutualité. Mittagessen mit Le Pen? Da verabschiedet sich der Appetit. Trotzdem: ich melde mich telefonisch an, per Rückruf kontrolliert der mißtrauische Veranstalter meine Identität, die Sache geht in Ordnung. Doch „der Präsident“ gibt kurzfristig andere Anweisungen: Funktionäre und Gattinnen wollen diesmal unter sich sein – der Saalordner knallt in letzter Minute die Türen vor mir zu. Der Hunger kommt zurück.

Durch die geplatzte Mittagsdebatte schaffe ich es zur Demo, die von Republique zur Nation marschiert. Über hundert Gruppen hatten den Aufruf „gegen Rassismus und für gleiche Rechte“ unterzeichnet; entsprechend vielfältig sind die Forderungen, ein gemeinsamer Schlachtruf kommt nicht zustande. An den Transparenten läßt sich das ablesen: „Kein Unterschied zwischen EG- Bürgern und Nicht-EG-Bürgern“, stattdessen Wahlrecht für Einwanderer; SOS-Racisme prangert die Sonderjustiz für Beurs an und erinnert an das Urteil eines Gerichts in Reims: Dort hatten Schöffen eine Bäckerin freigesprochen, die einen jungen Maghrebiner beim Brötchenklauen erschossen hatte. Auch die malischen Familien, die vergeblich sechs Monate lang unter Planen ihr „Recht auf Wohnraum“ eingefordert hatten, sind wieder dabei.

Gegen Le Pen macht vor allem die britische „Anti-Nazi-Liga“ Stimmung. Ob die Briten der Demo europäischen Charakter verleihen? Die deutsche Gruppe, die gewiß auch da ist, suche ich jedenfalls vergeblich. Plötzlich zieht Harlem Désir vorbei, wie üblich zwanzig Zentimeter hinter einer Fernsehkamera. Der Gründer von SOS-Racisme läuft diesmal nicht mit den Beurs, sondern hat sich bei der Grünen-Sprecherin Andrée Buchmann eingehakt. Denn seit knapp drei Wochen ist er prominentes Mitglied von Génération Écologie; mit der Aufsteigerpartei im Rücken könnte Désir im März in die Nationalversammlung gewählt werden.

Und plötzlich ist der Sinn dieser Demo klar: Nicht so sehr der zunehmende Rechtsradikalismus in Europa hat die Linke plötzlich auf die Straße getrieben, sondern der allseits erwartete Regierungswechsel in Frankreich. Wir sind noch da, lautet die Botschaft an die Rechte, rührt bloß unsere Rechte nicht an! Bettina Kaps

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