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■ Nebensachen aus KairoEine einfach geniale Idee

Stoßzeit in der Kairoer Innenstadt: Nichts bewegt sich mehr auf der Nilbrücke. Irgendwo am Horizont hat eine Ampel auf Rot geschaltet. Der Taxifahrer drängt sich gekonnt in der selbsteröffneten fünften Spur, bis er hinter einem jener rot-weißen öltriefenden Busse der Kairoer Verkehrsbetriebe zum Stehen kommt. Wie viele andere Fuhrwerke seiner Art hat auch dieser schon bessere Tage gesehen. Transportmittel in einer wachsenden Fünfzehn- Millionen-Stadt aus dem Dienst zu nehmen ist eben reinster Luxus.

Drohend ist der rußgeschwärzte riesige Auspuff auf unser kleines Taxi gerichtet. Verzweifelt versuche ich meinem Schicksal zu entrinnen. Maalesch — macht nichts, sagt der Taxifahrer lächelnd als Antwort auf meinen verwunderten Blick, als ich merke, daß die Fensterkurbel abgebrochen ist. Einige panische Sekunden vergehen. „Ich warte auf Dich“ singt die berühmte ägytische Sängerin Umm Kalthum im Autoradio. Ein-, zweimal zuckt das Rohr vor uns, als der Bus schließlich anfährt. Undurchdringlich scheint die Rußwolke, die sich dann zäh in das Innere des Taxis legt, um anschließend nur langsam wieder auf der Fahrerseite abzuziehen. Ein Gefühl der Verbundenheit kommt zwischen dem Fahrer und mir auf.

Eine einzigartige Momentaufnahme im Leben zweier Kairoer Verkehrsteilnehmer? Wohl kaum. Vor wenigen Jahren hatte die Stadtverwaltung eine ebenso einfache wie geniale Idee. Wo Rußfilter zu teuer sind, da ist Improvisation gefragt. Die Abgasanlage schlicht aufs Dach des Busses verlegt, und schon war die unmittelbare Gefahr gebannt. Hoch oben sollte es nach diesem gigantischen Umrüstungsprogramm in Zukunft stinken.

Zuständig für dieses Öko-Pilotprojekt zeichnete sich die Egyptian Environmental Affairs Agency. Eine Art ägyptisches Umweltbüro, das in dem Ruf steht, nicht allzuviel zu bewirken. Spötter sprechen auch davon, daß dessen langjähriger ehemaliger Chef Mohammady Eid der falsche Mann für diesen Job war. In seiner früheren Funktion leitete der General a.D. die Kampfstoff-Laboratorien der ägyptischen Armee. Inzwischen ist er durch einen ehemaligen Offiziellen der ägyptischen Petroleum-Gesellschaft ersetzt worden.

Aber wie gesagt, das ist alles nur das Gerede scharfer Zungen. Fakt ist, daß das Projekt inzwischen nicht mehr weitergeführt wird. „Zu viele Bürger haben sich dagegengestellt“, erklärt ein Beamter des Umweltbüros, ohne dies näher auszuführen. Nur kurz kommt mir der Gedanke einer „oppositionellen Bürgerinitiative der im ersten Stock Wohnenden“ — aber das ist wohl eher ein bundesdeutsches Konzept.

Nun quälen sich die bereits umgerüsteten Bio-Busse durch die Stadt, während die meisten Fahrzeuge des öffentlichen Nahverkehrs wie eh und je ihren Ruß direkt auf Atemhöhe ausspucken. Eine Million Privatautos tragen ihr Schärflein zur Luftverschmutzung bei. In den Adern der Kairoer Verkehrspolizisten fließt Blei.

Einen Abgastest für ägyptische Autos, wie es die Umweltschützer fordern, würde wohl kaum ein Vehikel auf Kairos Straßen bestehen. Nach herkömmlichen Standardwerten wäre Kairo allerdings dann die erste fast autofreie Stadt der Welt. Doch auch für dieses Problem bietet das Umweltamt eine praktikable Lösung. Die gewünschten zukünftigen Abgas-Grenzwerte wurden von der Behörde einfach so hoch angesetzt, daß nur noch jedes zehnte Auto durchfallen würde. Für den Beamten des Umweltamtes als Vertreter der Politik der kleinen Schritte ein echter Erfolg. Karim El-Gawhary

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