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Nebensachen aus KairoBegrenzte Freundschaft

■ Tourismus ist nur in eine Richtung vorgesehen

Kairo (taz) – Es geht freundlich zu in der Deutschen Botschaft in Kairo. Liebenswürdig überreicht uns der ägyptische Beamte den gelben Visumsantrag. Mit wohlwollendem Lächeln nimmt seine Kollegin hinter dem Fenster das ausgefüllte Papier an sich, um im Hinterzimmer zu verschwinden. Höflich erklärt sie uns wenige Minuten später, daß wir noch ein Photo nachzureichen hätten, obwohl der Antrag bereits abgelehnt sei. Ordnung muß sein. Sauber – schnell – effizient, eine deutsche Behörde eben.

Mein langjähriger nubischer Freund Haggi hatte mich gebeten, mit ihm zur Botschaft zu gehen und ihm zu helfen, die Formulare auszufüllen. Freunde aus Deutschland hatten ihn eingeladen und in einem Schreiben versichert, daß sie für alle anfallenden Kosten aufkommen würden. Ein Flugticket hatten sie der Einladung gleich beigelegt – Kairo- Berlin und zurück.

Eine mehrtägige Segeltour vom südägyptischen Assuan den Nil abwärts und ein Besuch bei Haggis Familie in seinem nubischen Dorf auf einer Nilinsel wenige Kilometer nördlich des Assuan Staudammes hatte die deutsch-ägyptische Freundschaft besiegelt. Das Boot, eine typisch ägyptische Falluka, ist eines jener Nilsegelschiffe, mit denen die Ägypter schon seit tausenden Jahren Güter und Menschen den Nil auf und ab transportierten, und es ist Haggis einziger und stolzer Besitz. Es ist eine wahre Freude, ihm zuzusehen, wie er mit ihm die Strömungen und Winde des Nils meistert und langsam nach Norden kreuzt, während die Palmenhaine an einem vorbeiziehen und man sich über nubische Musik, den neuesten Klatsch von Assuan unterhält oder Haggis Anekdoten über Touristen lauscht. Das muß den Freunden aus Deutschland auch gefallen haben, denn sie kamen anschließend auf die eigentlich naheliegende Idee, den Tourismus einfach mal in die umgekehrte Richtung zu lenken und Haggi für zwei Monate zu sich nach Deutschland einzuladen.

Als ich ihn das letzte Mal in Assuan besuchte, da war er ganz gerührt von soviel Gastfreundschaft, die ansonsten ja vor allem immer den ÄgypterInnen nachgesagt wird. Etwas mulmig war ihm dennoch zumute. In seinem Dorf hatte sich schon herumgesprochen, daß Nazi-Skinheads in Deutschland „Neger aufklatschen“ gehen. Das veranlaßte den 25jährigen mit seiner für die Nubier charakteristischen dunklen Hautfarbe dazu, statt den vorgeschlagenen zwei Monaten nur drei Wochen in Deutschland einzuplanen.

Zugegeben, vielleicht war es ja etwas naiv zu glauben, ich könne mit Haggi in den deutschen Vorposten der „Festung Europa“ marschieren und kurz darauf würde er dann ein Besuchervisum in den Händen halten. Die Beamten der Botschaft konnten mich da schnell eines Besseren belehren. Man habe Zweifel an Haggis „Rückkehrwilligkeit“. „Der kann ihnen ja viel erzählen“, wurde ich aufgeklärt. In der BRD gäbe es bereits 1.000 ägyptische Asylbewerber.

Die Dame von der Visaabteilung hat täglich 150-200 Anträge zu entscheiden. Keine leichte Aufgabe, wie sie sagt. Auch sie kann sich nicht über die Maßstäbe des Auswärtigen Amtes hinwegsetzen, die da lauten: Wer nichts hat, der bekommt auch kein Visum. Ein Segelboot reicht da eben nicht aus. Doch am Ende macht sie uns und sich selbst Mut für die Zukunft. „Wenn erst einmal das Asylrecht geändert ist, wird alles einfacher.“

Wie soll man einer deutschen Beamtin erklären, daß Haggi glücklich in seinem nubischen Dorf lebt und daß er seine dortigen Freunde, sein Boot und seine Arbeit zu sehr liebt, um sein Zuhause jemals hinter sich zu lassen? Wer keinen ausreichenden monatlichen Gehaltszettel vorweisen kann, dessen Antrag wird zu den Akten gelegt. Von den germaninschen Wehrtürmen aus gesehen, gehört Haggi zum Heer der Besitzlosen, die im deutschen Paradies bleiben wollen, sobald sie den Fuß auf die reiche teutonische Erde gesetzt haben.

Nun: Ich habe gelernt, wie abwegig die Vorstellung ist, man könne als Deutscher einfach Freunde aus der „Dritten Welt“ zu Besuch in sein Haus einladen. Die Freunde in Deutschland haben sich ihre einfältigen Ideen vom umgekehrten Tourismus ebenfalls abgeschminkt. Haggi hat sich wieder auf den Weg nach Assuan gemacht. „Wer sich ärgert, der macht sich nur selber Kummer“, hat er mir wie immer gutgelaunt zum Abschied gesagt und ist zurück nach Assuan gefahren, um neue Touristen auf seinem Boot willkommen zu heißen.

Karim El-Gawhary

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