■ Nebensachen aus Kairo: Ägyptische Odyssee rund um das Auto
Mein Freund Salah gab sich optimistisch auf dem Weg zur Auto-Ummeldung. Schließlich gehe es nur darum, den Verkauf des Autos zu bestätigen und auf meinen Namen umzuschreiben. Mit dem Kaufvertrag in der Hand mußte lediglich eine kleine bürokratische Hürde überwunden werden: das Kairoer Kraftverkehrsamt, arabisch „Muoruor“ genannt.
Das sei eigentlich nicht schwer, sagt eine freundliche Dame hinter dem Fenster. „Zuerst müssen Sie das Auto an sich selbst verkaufen.“ Die Logik der ganzen Aktion erschloß sich uns erst, als klar wurde, daß das Verkaufen des Autos an sich selbst 150 Mark Steuern und Bearbeitungsgebühr beinhaltet.
Selbstverständlich wird diese Summe nicht im Verkehrsamt bezahlt, sondern an einer extra Kasse, eine Viertelstunde entfernt. Erst dann kann der ganze Kauf im Muoruor notarisch registriert werden. Drei Antragsteller stehen vor dem Schalter, sechs Beamte dahinter versprechen eine schnelle Bearbeitung. Als nach einer Stunde immer noch nichts passiert ist, offenbart ein Blick hinter den Schalter die ganze Misere der 7.000 Jahre alten ägyptischen Bürokratie. Zwei Beamte lesen Zeitung, eine Frau schiebt sich in der Ecke ein übergroßes Sandwich mit braunen Bohnen ein. Zwei Menschen arbeiten. Der Mann am Schalter starrt auf sein Teeglas und ist auch auf Anfrage nicht ansprechbar. Es sollte noch eine weitere halbe Stunde bis zum erfolgreichen Abschluß der Prozedur vergehen.
Damit war die Sache noch nicht erledigt. Die Versicherungspolice des Vorgängers muß im Archiv besorgt werden, ein Zeugnis, daß alle Strafmandate bezahlt wurden, gehört ebenso dazu wie die Bestätigung, einen Feuerlöscher im Auto zu haben, die man gegen ein paar Steuermarken ohne Blick ins Auto erhält.
Siegessicher halten wir dem Beamten, der die Fahrzeugpapiere ausstellt, nach vier Stunden unsere Mappe entgegen. Der grinst nur überlegen: „Es ist alles da. Aber Sie befinden sich im falschen Amt. Sie müssen Ihr Auto in Ihrem Wohnsitz in Kairo Nord anmelden.“
Kein Problem, sagt der Beamte wenige Tage darauf in Kairo Nord. „Sie müssen jetzt nur noch die TÜV-Untersuchung bescheinigen.“ Im Hof wartet der Basch Muhandis – der Herr Ingenieur, wie der Mechaniker genannt wird. Sich seiner grenzenlosen Macht nur zu bewußt, blickt er von weitem auf das Auto und zählt im Handumdrehen die zu behebenden Mängel auf. Nur eine freundliche finanzielle Geste unsererseits kann ihn vom Gegenteil überzeugen. Mit der fertigen Mappe im Anschlag werfen wir uns erneut ins Gefecht mit dem Fahrzeugschein-Aussteller. „Falscher Wohnsitz“, meint der nur trocken, „für Sie ist Kairo Nord II zuständig. Wenn Sie sich beeilen, können Sie es noch heute schaffen.“
Um es kurz zu machen: Kairo Nord II hat selbstverständlich seinen eigenen Basch Muhandis, seine eigenen Formulare, und es vergehen zwei weitere Stunden, bis die notwendigen Papiere schließlich an dem Schalter landen, wo der computerausgedruckte Fahrzeugschein ausgehändigt wird. Viele Anträge – wenig Computer: Nach einer weiteren Stunde erhalten wir das Papier, um am Ende ein paar rostige durchlöcherte Nummernschilder ausgehändigt zu bekommen. „Sie haben Glück“, sagt der sympathische alte Mann hinter dem entsprechenden Schalter. „Manchmal haben wir überhaupt keine Schilder mehr.“
Aber auch für dieses Problem gibt es eine typisch ägyptische Lösung. Auf dem Parkplatz bietet uns ein Mann mit einem Eimer voll schwarzer Lackfarbe und einem Pinsel in der Hand an, die Nummern auf dem Schild nachzupinseln. „Mit solch alten unlesbaren Nummernschildern zahlen Sie Strafe, wenn Sie von einer Verkehrskontrolle angehalten werden, mein Herr“, so sein einleuchtendes Argument. Die wäre dann wieder in Kairo Nord II zu entrichten. Karim El-Gawhary
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen