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Nebensachen aus GriechenlandDer Gast als Gegner

■ Was man in griechischen Bergen aufgetischt bekommt – nicht nur kulinarisch

Athen (taz) – Das „Estiatorion“ liegt in Griechisch-Makedonien. Von der weinüberwachsenen Terrasse aus geht der Blick auf dichtbewaldete Berge. Buntkarierte Decken und Blumen schmücken die Tische, ein Sirtaki dringt aus dem Lautsprecher, und über allem hängt der Duft von kaltgepreßtem Olivenöl, Auberginen und Pastitsio. Doch schon nach wenigen Schritten fängt mich der Kellner ab und zieht mit bedauerndem Blick auf die Küche die Schultern hoch. Um vier Uhr nachmittags ist es einfach zu spät für ein warmes Mittagessen.

Die einzigen Gäste mischen sich ein: Ob es nicht wenigstens eine Suppe, ein paar frittierte Kartoffeln, einen Salat für mich gebe? Der Kellner will nicht. Er hat schon alles abgeschaltet und ist auf Feierabend eingestellt. Da tut sich eine Lücke zwischen zwei Essenden an dem langen Tisch auf, ein Stuhl wird herangerückt, ein Bierglas taucht auf und wird aus mehreren Flaschen gleichzeitig gefüllt. Auf einem hastig abgewischten Teller häufen sich Fleischstücke und Spinat. Ein Tischleindeckdich.

In der Wochenendrunde von Verkäuferinnen, SchülerInnen, Bauarbeitern und einem Lkw- Fahrer bestimmen schwäbische Töne und ein breites Kölsch das Gespräch. „Aus Deutschland kommst du – das mögen wir hier.“ Von allen Seiten prasseln Fragen. Was ich zu diesem Regenwetter im Mai sage und was zu den Funden im benachbarten Vergina, wo Archäologen das Grab des makedonischen Königs Philip II. ausbuddeln.

Mein Teller füllt sich gerade zum zweiten Mal, als ich erzähle, daß ich über die Grenze nach Mazedonien will. Eisiges Schweigen legt sich über den eben noch lärmenden Tisch. Dann räuspert sich einer meiner Gastgeber und weist mich darauf hin, daß das Land „Skopje“ oder allenfalls „Ehemalige jugoslawische Republik Makedonien“ heiße. Und ein Mädchen sagt den Spruch auf, den ich schon von öffentlichen Gebäuden, Flughäfen, Plakatwänden und meiner Telefonkarte her kenne: „Makedonien war, ist und wird immer griechisch sein.“

Jetzt gibt es nur noch böse Deutsche (mich) und gute Griechen (sie). „Die Deutschen“ wollen Bosnien zerstückeln, Griechenland an die Türkei ausliefern, die Serben als Verbrecher brandmarken, Großmacht spielen und den Amerikanern ihr Geschäft erledigen. Dabei würde es „euch“ auch nicht passen, wenn „die Türken Kreuzberg für autonom erklären“.

Im Gegensatz dazu wollen „die Griechen“ Frieden – und der ist am besten zu haben, wenn auf dem Balkan alles so bleibt, wie es war. Vor zwei Jahren haben sie recht behalten, als sie davor warnten, „daß die Anerkennung von Slowenien und Kroatien zum Krieg führt“. Und jetzt glauben sie, daß ausländische Bombardements in Bosnien „zu einem neuen Vietnam führen werden“. Ganz abgesehen davon, daß Serbien langfristig Griechenlands einziger Bündnispartner in der Region ist, wie es auch der Chef der sozialistischen Opposition, Andreas Papandreou, gesagt hat.

Am liebsten würde ich gehen. Doch meine Gastgeber rücken gerade näher an mich heran, um mich mit den Berichten der griechischen Boulevardpresse über „die Deutschen“ zu konfrontieren: „Ihr schmeißt die Griechen raus und kratzt ihnen Hakenkreuze ins Gesicht.“ Der energische Kritiker des deutschen Rassismus zieht nun über die Albaner her, von denen Tausende in diese grenznahe Gegend gekommen sind. „Die klauen und brechen unsere Autos auf. Alles Verbrecher. Die gehören rausgeschmissen. Ich habe doch nicht jahrelang in Deutschland geschuftet, um mir jetzt alles von denen wegnehmen zu lassen.“

Als alles gesagt ist, stehen meine Gastgeber auf. Ich bleibe allein zurück. Der Kellner zieht bedauernd die Schultern hoch – und geleitet mich zur Tür. Dorothea Hahn

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